Berlin.

Werner M. ist 68 Jahre. Der Geschäftsmann aus Rheinland-Pfalz ist vermögend, aber einsam. Seine Bemühungen, eine Frau auf Dating-Portalen kennenzulernen, hätten ihn nicht weitergebracht, sagt er. Jetzt ist er ein „Sugardaddy“, was heißt: Er sucht junge Frauen, die eine Beziehung mit ihm führen wollen. Gegen Bezahlung. Er ist angemeldet auf „mysuggardaddy.eu“. Frauenrechtlerinnen wie Juristen sind über Kontaktbörsen wie diese empört – sie sprechen von einer Form von Prostitution.

Vorbild für „mysuggardaddy.eu“ ist die US-Plattform „Seeking Arrangement“, die in USA bereits 2,6 Millionen aktive Nutzer hat. 250.000 Kontaktfreudige sind es auf der deutschen Plattform. Für 44, 95 Euro wurde Werner M. Mitglied. Seit 13 Jahren ist er Single und lebt allein in einem schicken Bungalow. Er war einmal verheiratet, ließ sich wieder scheiden. Jetzt ist er optimistisch, denn als „Sugardaddy“ sei er gefragt. „Ich habe mich mit ein paar Frauen getroffen, mit einigen bin ich noch verabredet.“ Natürlich zahle er den Frauen Geld. Wie viel, das ist geheim. Üblicherweise, so Experten, werden 30.000 Euro, auch mehr, überwiesen. Eine Mutter von zwei Kindern schrieb, sie würde gerne in eine größere Wohnung ziehen. Andere fragen nach Kostenübernahmen für Schönheitsoperationen.

Nadine F. (21) ist Studentin in Hamburg. Sie macht gerade ihren Master in Soziologie, will über Rollenbilder promovieren und trifft über „mysugardaddy.eu“ ältere Männer. Sie braucht Geld, das Studium ist teuer. Ihr „Sugardaddy“ heißt Achim und ist in gehobener Position bei einem Logistikunternehmen tätig. Seit einem Jahr überweist er ihr 500 Euro „Klamottengeld“ im Monat, wie er es nennt. Und zwischendurch gehen sie „schick essen“ und zu Ikea – ein Sofa für die Studenten-WG musste her. „Ich mag ihn sehr, er ist für mich eine Art Mentor und ich die Tochter, die er nie hatte“, sagt Nadine F. Auch Intimitäten mit ihrem Gönner machen Nadine keine Umstände, erklärt sie. „Er ist höflich und fragt immer, wie es mir dabei geht.“

Mit ihren Freundinnen kann sie allerdings nicht über ihre „Zweckbeziehung“ sprechen. „Einmal habe ich es versucht, da fragten sie mich sofort, wo jetzt der Unterschied zu Prostitution sei.“ Seitdem ist das Thema unter den Studentinnen tabu.

Thorsten Engelmann, Gründer von „mysugardaddy.eu“, erklärt dazu, dass man gegen jede gewerbliche Form von Angeboten, sprich gegen Prostitution, vorgehe, aber die tatsächlichen Anbahnungen zwischen Menschen nicht kontrollieren könne. Das wäre aber auch bei anderen Dating-Plattformen der Fall.

Alexander Stevens, Anwalt für Sexualstrafrecht, sieht Webseiten dieser Art allerdings kritisch. „Solche Dating-Portale, bei denen junge Frauen wohlhabende Männer treffen sollen, bewegen sich schon in einem grenznahen Bereich zur Prostitution“, sagt er. Die Seite suggeriere allen Nutzern, dass es hier um Sex gegen Geld geht. Und nichts anderes sei Prostitution.

Gefahr der Abhängigkeit bis zur Gewalt

Die Plattformen seien „eine Rampe in die Prostitution“, sagt Alexandra Eul, Redakteurin der „Emma“. Dating-Portale wie diese seien gefährlich für junge Frauen, sie könnten in Abhängigkeitsverhältnisse bis hin zu sexualisierter Gewalt führen. Es handele sich nur um ein weiteres, sehr geschicktes Geschäftsmodell, um den Frauenkauf salonfähig zu machen. „‚Ich bin ein Sugardaddy‘, das klingt natürlich viel besser als: ‚Ich bin ein Freier‘“, meint sie. „Die Behauptung, dass die jungen Frauen Spaß an der Sache haben, ist deren Verkaufsstrategie. Aber mal ehrlich: Welche 25-Jährige hat so richtig Spaß daran, mit einem 40 bis 50 Jahre älteren Mann auszugehen, der ihnen 100 Euro gibt, ein Steak und ein Glas Wein spendiert und dann sagt: ‚So, jetzt gehen wir aufs Hotelzimmer.‘“

Eine deutsche Journalistin, die für die Plattform „Zeitjung“ einen anonymisierten Selbstversuch als „Sugar­babe“ durchführte, sagt, dass das Leben als „Sugarbabe“ nur dann funktioniere, wenn man jede Selbstachtung über Bord werfe.