Nienstedten/Iserbrook. Artisten sagen sich los, gründen eigenen Verein und suchen neue Spielstätte. Sohn des verstorbenen Gründers wehrt sich

Sie sind zurück. Dort, wo einst das pädagogische Kinder- und Jugendprojekt Circus Mignon seinen Anfang nahm, trainieren heute wieder junge Artisten und Nachwuchsclowns. Immer donnerstags von 16.30 bis 20.30 Uhr versammeln sie sich in der Turnhalle der Rudolf-Steiner-Schule in Nienstedten. Zwei Gruppen mit jeweils 40 Kindern im Alter von elf bis 19 Jahren: Mehr gibt der Platz nicht her. Denn es stehen noch weitere Interessenten auf der Warteliste, wie Tobias Fiedler berichtet. Er gehört zu denen, die unter dem Projektnamen Zartinka mithilfe des neu gegründeten Vereins Z.ART am Leben erhalten wollen, was in den vergangenen Jahrzehnten im Hamburger Westen durch den mittlerweile verstorbenen Mignon-Gründer Martin Kliewer entstand. Das Verhältnis zwischen dem heutigen Circus Mignon und Zartinka ist gespannt.

Martin Kliewer begründete den Circus Mignon als erfolgreiches, gemeinnütziges und inte­gratives Projekt. Die Idee dahinter: Jugendliche zu fordern und dadurch zu fördern. Was 1992 mit einer Zirkusvorstellung in Nienstedten seinen Anfang nahm, entwickelte sich zu einem weit verzweigten Kulturprojekt mit zahlreichen Angeboten für Kinder, Jugendliche und Senioren. Seinen Sitz hat der Circus Mignon in einer Villa an der Osdorfer Landstraße, der ehemaligen japanischen Schule. Das Gebäude gehört der Stadt und wurde dem Verein 2006 zur Nutzung überlassen. Das Haus ist leicht zu finden, denn im Vorgarten steht ein großes blau-rotes Zirkuszelt.

Es ist schon etwas verrückt: Denn in diesem Zelt oder dem angrenzenden Schulgebäude wäre genügend Platz für die kleinen Artisten von Zartinka. Doch stattdessen bemühen sich die Macher des neuen Vereins, mit den begrenzten Zeiten in der Turnhalle auszukommen, und sind gleichzeitig auf der Suche nach einer dauerhaften Spielstätte. „Wovon Zartinka träumt, ist ein Gebäude oder ein Platz für ein Zelt im Hamburger Westen, wo wir unsere sozial-kulturelle Arbeit in einem Zentrum für Kreativität, Bewegung und Zirkus ausweiten können“, erklärt Fiedler.

Fiedler arbeitete fast 20 Jahre lang an der Seite von Martin Kliewer für das Projekt Circus Mignon. Umso erstaunlicher klingt nun seine Ansage. Warum man denn nicht das vorhandene Zelt und die alten Kontakte nutzt? „Ein Anruf, und wir sind zurück“, bekräftigt Fiedler. Doch offensichtlich gibt es zwischen dem neuen Mignon-Chef und einem Teil ehemaliger Mitarbeiter und Zirkuskinder, die sich losgesagt haben, keine Kommunikationsbasis dafür. Kliewers Sohn Mischa hatte die Zirkus-Leitung von seinem erkrankten Vater übernommen. Im Gespräch mit dem Abendblatt kündigte er 2016 an, dass er das Projekt Mignon fort- und weiterentwickeln wolle. Gleichzeitig verordnete er der Zirkusschule eine Kreativpause.

Die Kurse und Workshops wurden eingestellt, Honorarkräfte und Mitarbeiter mussten sich andere Jobs suchen. Ursprünglich sollte die Kreativpause etwa ein Jahr dauern und im Jubiläumsjahr die Zirkusschule neu durchstarten. Laut Fiedler hätten diejenigen, die sich nun unter neuem Namen zusammengetan haben, das abgewartet. Doch 2017 verstrich ohne Neueröffnung und ohne Ankündigungen, wie es weitergehen soll, so Fiedler. „Jugendliche suchen sich irgendwann ein anderes Hobby. Wir wollten nicht, dass die Gruppen auseinanderbrechen“, sagt er. Und deshalb sei Zartinka entstanden. Aber schweren Herzens, wie Fiedler betont. Denn für ihn und viele andere war der Circus Mignon ihre Heimat.

Und was sagt der Zirkus-Erbe? Mischa Kliewer ist schwer zu erreichen. Kein Wunder, er hat viel zu tun. Mit zahlreichen Unterfirmen bespielt Mi­gnon verschiedene Bühnen. Es geht um Firmenevents, Catering, Eventmanagement, Entertainment. Unter anderem organisierte Kliewer kürzlich im zweiten großen Zirkuszelt, das auf der Bahrenfelder Trabrennbahn steht, die Mitgliederversammlung des HSV. Diese Unternehmen erwuchsen einst aus der Not heraus, den unterfinanzierten Verein und seine gemeinnützige Arbeit zu ermöglichen. Obwohl die Zirkusschule ruht, herrscht in der Villa an der Osdorfer Landstraße viel Leben. Sie ist unter anderem Sitz der Firmen. Zudem wird sie als Eventlocation angeboten.

Doch es gibt Hoffnung. Auf Abendblatt-Anfrage kündigt Kliewer nun das Ende der Kreativpause an. „Im Mai wird es die erste neue Circus-Mignon-Show nach der Pause geben“, verspricht er. Wie das neue Konzept aussieht, welche Kurse es geben wird und wann sie starten, kann er allerdings noch nicht sagen. Denn die Zirkusschule soll „aus sich selbst herauserwachsen“. Kliewer will keine Strukturen vorgeben, sondern die Jugendlichen fördern, indem sie selbst entwickeln, was sie wollen. „Die Idee von Mignon war immer viel mehr als Training und Aufführung“, erklärt er. Den Auftakt soll ein Mitmachangebot für Kinder in den Ferien bilden, das über www.circus-mignon.de gebucht werden kann. 110 Euro kostet die Teilnahme beispielsweise vom 12. bis 16. März (jeweils 10 bis 13 Uhr). Zudem wird Mignon den Sylter InselCircus weiterbetreiben.

Ausgerechnet für Mai kündigt nun auch Zartinka Zirkusaufführungen an. Das Jugendensemble wird am 21. Mai das Stück „Primeln & Elefanten“ und das Kinderensemble am 27. Mai „Neuland“ präsentieren – und zwar im Festzelt mitten im Schanzenpark jeweils um 15 und 19 Uhr. Karten gibt es per E-Mail an reservierung@zartinka.de.