Berlin.

Ihre Hilfe ist derzeit nicht willkommen: Die Regierung in Haiti hat dem britischen Zweig der Hilfsorganisation Oxfam für zwei Monate die Arbeitserlaubnis entzogen. Während dieser Zeit will das Land den Umgang der Organisation mit dem Skandal um „Sexpartys“ untersuchen. In einer von Oxfam gemieteten Villa sollen hochrangige Mitarbeiter nach dem Erdbeben von 2010 gefeiert haben – illegalerweise und zudem nicht geduldet vom Verhaltenskodex der Organisation. Der Skandal war erst vor zwei Wochen ins Rollen gekommen.

Hilfsorganisationen versuchen es mit Transparenz

Der haitianische Planungsminister Aviol Fleurant bezeichnete es am Donnerstag bei Radio Metropole als Fehler, dass Oxfam die Vorfälle nicht den Behörden vor Ort gemeldet habe. Vertreter der Organisation sicherten Haiti die Kooperation bei den Ermittlungen zu.

Steffen Küßner, Sprecher von Oxfam Deutschland, betonte, dass die Arbeit der Organisation durch die Suspendierung des britischen Zweigs in Haiti zwar beeinträchtigt, aber nicht ausgesetzt werde. So blieben andere Oxfam-Gruppen, etwa aus Spanien, mit rund drei Vierteln des Gesamtbudgets von 13 Millionen Euro vor Ort.

Seit den ersten Enthüllungen sind bislang 26 neue Fälle von sexuellem Fehlverhalten beim britischen Oxfam-Ableger bekannt geworden – „ältere, aber auch jüngere Vorfälle“, wie deren Chef Mark Goldring diese Woche vor einem Parlamentsausschuss in London gesagt hatte, „16 im Ausland, zehn in Großbritannien“.

Auch andere Hilfsorganisationen haben in der Folge des Skandals Zahlen veröffentlicht. Sie versuchen durch Transparenz zu retten, was sie so dringend brauchen: das Vertrauen der Öffentlichkeit in ihre Arbeit. Nach Ärzte ohne Grenzen (24 Fälle im vergangenen Jahr, 19 entlassene Mitarbeiter), der US-Flüchtlingsorganisation IRC („einige“ Fälle im Kongo) und Save the Children (35 Fälle 2017, 19 Entlassungen) hatte zuletzt auch Plan International von sechs Fällen von Sommer 2016 bis Sommer 2017 berichtet. Die deutsche Plan-Sprecherin Kerstin Straub legt Wert darauf, nicht alles Fehlverhalten in einen Topf zu werfen. „Bei Oxfam haben wir über einen Länderchef geredet, der Sexpartys gefeiert hat, so etwas hat es bei uns nicht gegeben“, sagte sie. Von den sechs gemeldeten Fällen sei einer ein Plan-Angestellter gewesen. Der habe sich nicht strafbar gemacht, er habe aber die organisationseigene Kinderschutzrichtlinie verletzt und sei deshalb ohne Zeugnis entlassen worden.

Die Kinderschutzrichtlinie untersagt etwa jedem Mitarbeiter, Freizeit mit einem von Plan betreuten Kind zu verbringen. Oder einem Kind beim Ankleiden zu helfen. Auch Fotos von Kindern in einer „entwürdigenden Situation“ sind verboten. Verstöße könnten zur Entlassung führen, so Straub. Bei den anderen fünf Fällen sei es um sexuelle Übergriffe gegangen, durch Partner von Plan. Die Personen seien angezeigt und die Zusammenarbeit gekündigt worden. „Jeder Fall ist einer zuviel, aber das bedeuten nicht, dass wir unsere Arbeit nicht anständig machen“, so Straub. Die im Verhältnis zur großen Zahl der Mitarbeiter und Partnerkontakte relativ geringe Zahl bedeute vielmehr, dass die Schutzmechanismen gut funktionierten.

Die Missbrauchsfälle in Relation zur Mitarbeiterzahl zu sehen: Diese Bitte vereint Hilfsorganisationen derzeit. Oxfam hilft der Hinweis noch nicht – ebenso wenig wie der auf die zahlreichen Maßnahmen zum Schutz vor Missbrauch, die seit 2011 eingeführt wurden. Mehrere prominente Unterstützer, zuletzt der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, haben sich abgewendet, die Schweiz kündigte an, ihre Zahlungen vorerst einzustellen.

Oxfam Deutschland haben 160 Spender explizit aus diesem Grund die Unterstützung entzogen, wie Sprecher Küßner berichtet. Die Briten haben in demselben Zeitraum 7000 Unterstützer verloren. Küßner versteht die Enttäuschung der Menschen. „Wir sind uns darüber im Klaren, dass es wichtig ist, Vertrauen zurückzugewinnen“, sagt er. Transparenz, Offenheit, Krisenmanagement: Daran wollten sie jetzt gemessen werden.