Beruf mit vielen Saiten: Klavierbauer verbinden Kunst und Handwerk auf vielen Wegen

ätte Nathanael vorher gewusst, dass man sich zum Klavierbauer ausbilden lassen kann, wäre er schon viel früher in den Job eingestiegen, sagt er. Seit er sechs Jahre alt ist, spielt Nathanael Klavier. Musik war immer Teil seines Lebens. Als er vor knapp vier Jahren im Internet von der Ausbildung zum Klavier- und Cembalobauer erfuhr, verging nicht viel Zeit, bis seine Ausbildungsbewerbung beim Hamburger Unternehmen Steinway and Sons in den Briefkasten flatterte.

Seit ein paar Wochen ist der 27-Jährige Erstgeselle. Die Ausbildung schloss er im Dezember erfolgreich ab und arbeitet im gleichen Betrieb als Intoneur. Das ist die Abteilung, bei der er im Laufe seiner Ausbildung die größte Leidenschaft für den Beruf entwickeln konnte. Jetzt verleiht er Flügeln und Klavieren den optimalen Klang. Einfach ist das nicht. Bis man ein geschultes Gehör entwickelt, vergehen gut und gerne sechs Jahre: „Das ist ein bisschen so, als würde man auf einer Autobahnbrücke stehen und soll dann den Transporter auf der mittleren Fahrspur heraushören, der in den nächsten zehn Minuten vorbeifahren wird.“

Musikalität ist zumindest keine feste Voraussetzung für Auszubildende: „Es gab auch mal einen Azubi, der Schlagzeug gespielt hat. Alle hier haben einen Drang zur Musik. Ein gewisses Gefühl ist wichtig. Musiker muss man dafür trotzdem nicht sein“, sagt Nathanael, der sich selbst aber schon als den musikalischeren Typ bezeichnet. Anders als in der Ausbildung bastelt er als Intoneur gar nicht mehr so viel an den Flügeln wie seine Kollegen in den anderen Abteilungen: „Jeder kann seinen Schwerpunkt selbst legen.“ Wer sich eher im Handwerk sieht, kann sich etwa auf die Flügelmechanik spezialisieren. „Es ist einfach ein vielseitiger Beruf mit vielen Aspekten, in dem jeder seine Vorliebe finden kann“, sagt Nathanael. Als Azubi verbrachte er seine ersten zehn Wochen in der Lehrwerkstatt. Wichtig für den Anfang sei es, erst einmal zu lernen, mit dem Holz umzugehen. Hat man diese Grundausbildung hinter sich, durchläuft man nacheinander die verschiedenen Abteilungen in der Produktion. Eine typische erste Station ist der Rastenbau. Bis ein Flügel endgültig fertigstellt ist, vergeht in der Regel ein Jahr. Das erfordert koordiniertes Teamwork und Geduld. Entsprechend groß ist nach getaner Arbeit das Erfolgserlebnis: „Es ist ein wirklich gutes Gefühl, wenn man dann den Flügel sieht, an dem man lange mitgearbeitet hat“, sagt Nathanael.

Wenn die Ausbildung abgeschlossen ist, hat man gute Chancen, eine Stelle zu finden. Das liegt auch daran, dass die Zahl der Azubis für Klavierbau überschaubar ist. Die einzige Berufsschule in Deutschland gibt es in Ludwigsburg. Nathanael eingerechnet, sitzen dort 50 Auszubildende aus seinem Jahrgang. Einen „Meisterzwang“ gibt es beim Klavierbau nicht. Theoretisch könnte er sich also auch ohne Meisterzertifikat selbstständig machen.