Der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro ist der große Träumer unter den zeitgenössischen Filmemachern. Ein Märchenerzähler mit überbordender Fantasie, visueller Fabulierlust und einem großen Herzen für all jene, die am Rande der Gesellschaft leben. Er findet Menschlichkeit im Monströsen, blickt in die Psyche der Außenseiter, fordert Humanität ein gegenüber all jenen, die irgendwie anders sind. Seine Kunst, das Unheimliche, Fremde auf fantasievolle Weise fassbar zu machen, hat er in so unterschiedlichen Filmen wie „Pan’s Labyrinth“ oder „Hellboy“ immer wieder unter Beweis gestellt.

Mit „Shape Of Water – Das Flüstern des Wassers“ führt er seine poetische Sicht auf die Wirren und Grausamkeiten des Lebens zu bewundernswerter Vollkommenheit. Er beschwört eine surreale Welt und macht dabei keinen Hehl aus seiner Vorliebe für die zauberhafte Kraft, die dem Kino einst innewohnte (und seit Einführung des Fernsehens einen Teil ihrer Magie verloren hat). Del Toro will diese Magie wieder zurückholen auf die große Leinwand und ist mit diesem Film seinem hohen Anspruch ein gehöriges Stück nähergekommen.

Das Leinwandmärchen, das von der Liebe eines stummen Mädchens zu einem in ein Forschungslabor verschleppten Fischmann vom Amazonas handelt, ist eine Liebeserklärung an die Menschlichkeit. Und eine Hommage an das Kino der 50er- und 60er-Jahre. Dafür hat del Toro auf dem Filmfestival in Venedig 2017 den Goldenen Löwen erhalten und gilt als stärkster Kandidat bei der Oscar-Verleihung im März. Gleich 13-mal wurde ­„Shape Of Water“ nominiert, darunter für den besten Film, Regie und Drehbuch.

Auch die wunderbare Hauptdarstellerin Sally Hawkins kann auf einen Oscar hoffen. Sie spielt in einer Mischung aus kindlicher Leichtigkeit und kluger Lebensweisheit das stumme Mädchen Elisa, das in Philadelphia allein in einer Wohnung direkt über einem Kino wohnt, das seine besten Tage hinter sich hat. Die einzigen Bezugspersonen sind ihr väterlicher Freund, der homosexuelle Werbezeichner Giles (Richard Jenkins), und ihre schwarze Arbeitskollegin Zelda (Octavia Spencer). Elisa ist Außenseiterin in einer zynischen Welt.

Die Geschichte spielt 1963, mitten im Kalten Krieg. Amerikaner und Russen liegen in verbissenem Wettstreit. Eliza arbeitet nachts als Putzfrau in einer geheimen Forschungseinrichtung der Regierung. Dort experimentieren Wissenschaftler in einem Labor an einem Amphibien-Mann (Doug Jones, der schon in del Toros „Hellboy“ den Fischmenschen spielte).

Der sadistische Colonel Strickland (Michael Shannon) hat ihn am Amazonas eingefangen. Dort, so heißt es, sei er von den Eingeborenen wie ein Gott verehrt worden. Nun muss er für grausame Experimente herhalten – als mögliche Waffe im Kräftemessen zwischen West und Ost. Auch die Russen haben davon Wind bekommen und wollen das Wesen ent­führen.

Elisa ist neugierig auf das Wesen. Eine zunächst unwirkliche Freundschaft beginnt. Sie füttert es mit hart gekochten Eiern. Sie kommuniziert mit ihm in Gebärdensprache. Sie spielt ihm Schallplatten vor. Es beginnt eine ungeheuer bewegende Liebesbeziehung. „Die Schöne und das Biest“ trifft auf „Der Schrecken vom Amazonas“. Als die Militärs den so menschenähnlichen Kiemenmann zu Forschungszwecken aufschneiden wollen, erlöst Elisa die gequälte Kreatur und entführt sie in einer waghalsigen Aktion, um auf immer mit ihr zusammen sein zu können. Doch die Militär-Schergen bleiben ihr auf den Fersen.

„Shape Of Water“ ist ein bildmächtiges Plädoyer gegen Ignoranz und Willkür und für ein menschliches Miteinander. Er zelebriert in zarten, düster-blassen Farben die Macht der Fantasie, ist Märchenfilm, Agententhriller, Liebesfilm, Musical und klassisches Horrorkino in einem. Untermalt wird er von der atmosphärischen Filmmusik Alexandre Desplats, in die sich Perlen wie das Chanson „La Javanaise“, gesungen von Madeleine Peyroux, oder der Big-Band-Swing von Glenn Miller und Benny Goodman elegant einfügen. Sensibel arrangiert, komödiantisch inszeniert, mit leichter Hand choreografiert. Man kann sich der Faszination nicht entziehen. Einfach zauberhaft.

„Shape Of Water – Das Flüstern des Wassers“ USA 2017, 123 Minuten, ab 16 Jahren, Regie: Guillermo del Toro, Darsteller: Sally Hawkins, Michael Shannon, Richard Jenkins, täglich im Abaton (OmU), Holi, Koralle, Savoy (OF), Studio (OmU), UCI Mundsburg/Othmarschen-Park, Zeise