St. Moritz.

Zur Winterfrische landete der Erfinder des Jetsets Gunter Sachs stets mit Propellermaschine in St.-Moritz-Dorf, im sonnigen Engadin, da wo er in den frühen Siebzigern mit den Superreichen, Pelzgekleideten ausgelassen den Champagner spritzen ließ. Dort wo einst der Wintertourismus in der Schweiz entstand. Luxus-Hotellier Johannes Badrutt hatte vor über 100 Jahren in englischen Gärten gewettet, dass die Briten auch im Winter zum Sonnenbaden in seinen verschlafenen Ort kommen würden. Und er gewann. Auf die Olympikonen folgten die Bismarks, die Onassis, russische Oligarchen, chinesische Tycoone. Ein Ruf, von dem das berühmteste Bergdorf der Welt immer noch profitieren muss – den unlängst steckt der Tourismus in St. Moritz in der Krise.

Das tritt auch an den von Touristen gut besuchten Wochenenden im Februar zum traditionellen „White Turf“ zutage. Das seit dem Jahr 1907 ausgetragene Pferderennen lockte alleine am ersten Wochenende 8000 zahlende Zuschauer an. 81,90 Franken (74 Euro) kostet der nummerierte Sitzplatz, 20, 80 Franken (18 Euro) ein Stehplatz. Unter ihnen sind etwa 1000 geladene Gäste, die Klasse der Superreichen, die von Sponsoren als VIPs an gedeckte Tische eingeladen werden. Die Frauen tragen bei blauem Himmel reflektierende Designer-Sonnenbrillen. Ihre dazugehörigen Kinder und kleinen Hunde bewegen sich allesamt in Luxus-Schneeanzügen nach Spiel und Auslauf suchend um die Tische.

Jetzt wird die Eisschicht mit Drohnen kontrolliert

Von Krise ist in dieser Szenerie nicht viel zu spüren, dennoch kämpft das Event wie auch der Ski-Ort seit dem vergangenen Jahr um seinen guten Ruf.

Bei einem Galopprennen des „White Turf“ im Februar 2017 war der in Führung liegende Wallach Holidayend plötzlich gestürzt und hatte eine Kettenreaktion ausgelöst. Hinter ihm gingen zwei weitere Pferde zu Boden. Das Rennpferd Boomerang Bob verletzte sich dabei so schwer, dass es vom Tierarzt eingeschläfert werden musste. Sein Reiter George Baker wurde mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus geflogen und auf der Intensivstation behandelt. Glücklicherweise zog er sich aber keine ernsthaften Verletzungen zu, wie die Organisatoren dann bekannt geben konnten.

Seitdem wird die Sinnhaftigkeit solcher Rennen auf vereistem Grund allerdings kontrovers diskutiert. „Meiner Meinung nach sind solche Rennen auf dem Eis völlig daneben“, sagte Tina Gartmann, Präsidentin des Tierschutzvereins Graubünden im Schweizer Fernsehen. Man habe nun wieder gesehen, dass etwas geschehen kann. Und deshalb soll man sich diesem Risiko nicht mehr aussetzen und keine Rennen auf gefrorenem See abhalten.

In den Medien machte derweil die Vermutung die Runde, dass durch das warme Klima am Tage Risse im Eis entstanden seien. Polizeiliche Ermittlungen wurden aufgenommen. Das zu einer Zeit, in der sich St.Moritz wie im Februar üblich in seiner Hauptsaison befand. Bereits seit dem Jahr 2008 ging es für den Tourismus in der Region es stetig bergab. Fast ein Drittel der Logiernächte hatten die Hotelliers eingebüßt. Die Wintersaison 2015/2016 schloss mit einem Minus an Hotelübernachtungen um 5,3 Prozent ab. „St. Moritz wird oft als Protzort dargestellt, das ärgert mich“, sagt der Sohn des berühmten Gunter Sachs, der Künstler Rolf Sachs (61). Das wunderschöne Tal, die tolle Luft, das seien die eigentlichen Werte. Sachs lebt zeitweise in St. Moritz und setzt sich für neue Impulse sein. Er fördert das Jazz-Festival, das seinen Dracula-Club nutzen darf. „Wir müssen mehr junge Leute anziehen, Gäste aus China, Südamerika und Indien“, sagt er.

Konsequenzen aus der Katastrophe der Vorsaison haben die Organisatoren des „White Turf“ in diesem Jahr gezogen. So kommt auch am kommenden Februarwochenende eine Drohne mit einer Wärmebildkamera zum Einsatz. Man hofft laut Veranstalter frühzeitig Stellen zu erkennen, an denen Wasser zwischen Eis und Schnee aufgestiegen ist und sich Risse bilden können. „Wir arbeiten mit verschiedenen Wissenschaftlern zusammen“, erklärte Markus Berweger der „Neuen Züricher Zeitung“. Er ist Bauingenieur, Gemeinderat in St. Moritz und Mitglied einer zuständigen Projektgruppe. Kein hoher Preis für den Traditionserhalt in eimem der teueresten Orte der Welt.