Blankenese. Verdienstvoller Pädagoge oder Reaktionär? Schüler bewerten ihn anders als Biografenpaar Holst. Endgültige Bewertung ist (noch) offen

So ziemlich alle Blankeneser kennen die Propst-Paulsen-Straße, die unmittelbar neben dem Marktplatz verläuft. Aber die wenigsten dürften auf Anhieb wissen, wer der Namensgeber war und welche Verdienste er vorzuweisen hat.

Gleich zwei lesenswerte Publikationen schaffen jetzt Abhilfe. Zum einen veröffentlichte eine Schülergruppe des Gymnasiums Blankenese unter Anleitung ihres Lehrers Fabian Wehner einen Aufsatz in der kürzlich erschienenen Schulfestschrift. Zum anderen schrieben Maike und Ronald Holst ein neues Blankenese-Buch, das sich zur Hälfte mit Paulsens Lebensweg beschäftigt (siehe Beistück). Das Interessante dabei: Der Pastor und Bildungsfunktionär Paulsen (1839 bis 1921) wird von beiden Autoren-Teams höchst unterschiedlich bewertet.

Während das Ehepaar Holst Paulsen als einen „charismatischen Gestalter“ bezeichnet, dem es gelungen sei, das Schulsystem in seinem Einflussbereich „zu ordnen und auszubauen“, sehen die vier Schüler Paulsen durchaus kritisch. Zwar erkennen sie dessen Verdienste an, nennen ihn aber auch „einen willfährigen Helfer im Machtgetriebe des Wilhelminischen Kaiserreichs“.

Paulsen hatte in der Kaiserzeit als Schulinspektor des Kreises Pinneberg (zudem damals Blankenese gehörte) die Aufgabe, eine Lehrerschaft von 400 Pädagogen auszuwählen, auszubilden und zu beaufsichtigen. Ein Amt mit einer ungeheuren Machtfülle und starken Einflussmöglichkeiten. Hat er es nach heutigem Verständnis nun eher positiv oder negativ ausgeübt? Erst im vergangenen Jahr hatten sich beide Gruppen dazu unter der Überschrift: „Propst Paulsen: Denkmal oder Mahnmal in Blankenese?“ eine spannende öffentliche Diskussion geliefert. Paulsen ist seitdem eine im besten Sinne umstrittene Figur im Stadtteil. Man debattiert über ihn – leidenschaftlich, aber sachlich und fair.

Die vier Oberstufenschüler haben mit ihrem Beitrag mittlerweile erfolgreich am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten teilgenommen. Nun treffen sie sich fürs Hamburger Abendblatt in der Lehrer-Lounge des Gymnasiums noch einmal mit dem Ehepaar Holst zum Gedankenaustausch.

In seinen Schriften hat Paulsen die Realschule unter anderem als „Pflegestätte wahrer Bildung“ verstanden. „Er empfiehlt seinen Schülern dazu Sekundärtugenden wie Fleiß, und er verlangt Gehorsam“, sagt Schüler Lando. „Von Barmherzigkeit, christlichem Menschenbild und dergleichen ist aber nicht die Rede.“ Paulsen habe sich inhaltlich mit Kaiser Wilhelm II verbunden, der unter Bildung vor allem die Erziehung zu vaterlandsliebenden guten Soldaten verstanden habe, so Schüler Nico.

Ronald Holst ist anderer Meinung: „Ihr seht das zu losgelöst von Paulsens Biografie. Man darf nicht vergessen, dass er während der dänischen Herrschaft groß wurde, die viele als Unterdrückung empfanden. Krieg wurde als Befreiung verstanden, und die Schrecken des Ersten Weltkriegs waren damals ja noch nicht vorstellbar.“ Und Maike Holst ergänzt: „Dass er sich selbst als Patrioten bezeichnet hat, sich König und Vaterland verpflichtet fühlte, entsprach dem Zeitgeist.“ Für Gabriel war Paulsen „die Verkörperung des Bündnisses von Thron und Altar, als Kirchen- und Bildungspolitiker“. Dazu gibt Ronald Holst zu bedenken: „Man muss aber anerkennen, dass er Kindern und Jugendlichen – ganz besonders den Mädchen – bessere Bildungschancen eröffnete.“

Die Frage, ob Paulsen nun eher denkmal- oder mahnmalwürdig ist, bleibt damit weiter offen.