Othmarschen. Spezialfahrzeuge, hoher Standard, europaweit einmalig: Stadt investiert acht Millionen Euro in vorbildliches Rettungskonzept

Ein seltener Anblick: Der Verkehr auf der Autobahn 7 kurz vor dem Elbtunnel rollt an diesem Morgen fließend in beide Richtungen. Die Mitarbeiter der neuen Rettungswache in Othmarschen können sich beruhigt zurücklehnen. In solchen Momenten ist Zeit zum Klönen, Aufräumen, Ausruhen oder für Schreibkram – bis der nächste Alarm schrillt. Der hat bereits die ebenfalls hier untergebrachten Rettungssanitäter vom Frühstückstisch gerissen. Halb aufgegessene Brötchen zeugen vom schnellen Aufbruch. Ein Feuerwehrkollege räumt für sie ab – man hilft sich halt. Im Hintergrund ist das leise Rauschen des Verkehrs zu hören. Durch das Fenster des Aufenthaltsraums blicken die Mitarbeiter genau auf ihr Einsatzgebiet. Das erstreckt sich von der Autobahnabfahrt kurz vor ihrer Tür bis auf die andere Elbseite bei Waltershof. Dazwischen liegen bloß sieben Kilometer, aber die haben es in sich.

Durch die mittlerweile vier Röhren des Elbtunnels quälen sich täglich rund 120.000 Fahrzeuge. Da bleiben Probleme nicht aus. Ob bei Unfällen, Stau durch Liegenbleiber, Feuer oder entlaufenen Tieren: Ab sofort eilen die Helfer aus der neuen Rettungswache an der Walderseestraße herbei. Zudem wurde in dem Gebäude die Polizei untergebracht. Dass Feuerwehr und Polizei gemeinsam bauen und unter einem Dach zu finden sind, ist laut Feuerwehr eine Premiere. Überhaupt setzt die Wache nicht nur für Hamburger Verhältnisse neue Standards.

„Das ist europaweit einmalig“, schwärmt Werner Nölken, Pressesprecher der Hamburger Feuerwehr. Als ehemaliger Wachleiter in Osdorf hat er an dem speziellen Rettungskonzept für die neue Tunnelwache mitgewirkt und kann genau Auskunft über die zahlreichen Spezialanfertigungen geben. Ein Beispiel: Die beiden großen Löschfahrzeuge der neuen Tunnelwache sind 20 Zentimeter schmaler als die Standardfahrzeuge. Grund dafür sind die alten Elbtunnelröhren, die über keine Standspur verfügen. „Dadurch ist die Rettungsgasse sehr eng. Da bringt jeder Zentimeter etwas“, weiß Nölken. Vor allem bringt es die Feuerwehr schneller voran. Aber dadurch musste die komplette Aufteilung der Geräte im Innenraum der Fahrzeuge geändert werden. Das und noch mehr galt es zu bedenken.

Knapp zwei Jahre lang zog sich die Planung hin. Im November 2016 war Spatenstich für das circa 2500 Quadratmeter große Gebäude auf dem Grundstück an der Autobahn. Dort schützte zuvor ein Erdwall vor Lärm, er musste erst abgetragen werden. Um den Schutz für angrenzende Wohnhäuser zu gewährleisten, handelt es sich bei der Fassade des neuen Gebäudes um eine speziell lärmmindernde. Im Dezember vergangenen Jahres war das Gebäude dann so weit fertig, dass Kollegen und erste Fahrzeuge einziehen konnten. Mit der feierlichen Einweihung am Donnerstag ist nun auch offiziell der Startschuss für die neue Wache gegeben.

Rund acht Millionen Euro investierte die Stadt in den Bau, die nötige Infrastruktur und die speziellen Fahrzeuge. Darunter ist auch ein eigens angefertigter Abschlepper, der die Fahrzeuge in die Zange nimmt. Dabei muss der Fahrer des abgeschleppten Autos nichts mehr tun – eine Konsequenz aus der Erfahrung, dass manche zuvor nicht mitlenkten und beim Abschleppen auch noch gegen die Tunnelwand fuhren.

Der Chef im neuen Haus ist Udo Jarck. Als Koordinator der Elbtunnelfeuerwehr muss er vor allem dafür sorgen, dass seine Leute (15 Mann im Schichtdienst, aufgeteilt auf drei feste Stellen) fit sind für den Ernstfall. Das Problem ist: Im Elbtunnel brennt es selten, „aber wenn, ist es gleich dramatisch aufgrund der Rauchentwicklung“, erklärt Jarck. Für die Kollegen der Feuerwehr bedeutet es, dass sie sich alltäglich mehr mit Unfällen und dem Abschleppen von Liegenbleibern herumschlagen. Letztere bekommen übrigens eine Rechnung von der Feuerwehr.

Von 451 Einsätzen in 2017 handelte es sich bei vier um einen Brand. Wie gefährlich sich ein solches Tunnelfeuer entwickeln kann, zeigt das Beispiel eines brennenden Lkw im Jahr 2011. Autofahrer, die hinter dem Fahrzeug im Elbtunnel feststeckten, hörten die Durchsagen nicht und stiegen aus. Rauchvergiftungen drohten, die Lage war unübersichtlich, die Technik noch nicht so weit wie heute. „Über die Alarmierung ging die Nachricht: Schickt alles, was ihr habt. Das habe ich so vorher auch noch nicht gelesen“, erinnert sich der 62-jährige Nölken.

Aus dem gefährlichen Brand haben die Kollegen Konsequenzen für die heutige Ausrüstung der neuen Tunnelwache gezogen. So verfügen die Löschwagen über Wärmebildkameras, die an der Front des Fahrzeugs oberhalb eines Löschwerfers angebracht sind. Bei starker Rauchentwicklung können die Kollegen so durch den Tunnel fahren, ohne Gefahr zu laufen, am Boden liegende Personen zu überfahren.

Auf den Ernstfall bereiten sich die Kollegen mit Übungen und Schulungen vor. Ziel ist es, innerhalb von drei Minuten an jeder Einsatzstelle im Tunnel zu sein, am besten noch schneller. Zudem kommt von der anderen Seite der Elbe jedes Mal ein weiterer Löschwagen mit drei Kollegen. Doch bei aller Vorbereitung hält der Elbtunnel für die Kollegen der Feuerwehr doch immer wieder eine Überraschung parat. Von Rindviechern und anderen Pannen können sie berichten. Das Einzige was sie noch nicht erlebt haben: eine Geburt im Elbtunnel.