Mannheim/Berlin.

Im Skandal um verschmutztes Operationsbesteck am Universitätsklinikum Mannheim hat die Staatsanwaltschaft den ehemaligen Klinikchef Alfred Dänzer angeklagt. Die Strafverfolger machen ihn für jahrelange Verstöße gegen das Medizinproduktegesetz verantwortlich. Dadurch sei „die Gesundheit einer Vielzahl von Patienten gefährdet worden“, heißt es in der Anklage. Bei einem Schuldspruch drohen Dänzer bis zu fünf Jahre Haft.

Gemessen an der Dunkelziffer potenzieller Geschädigter geht es um den wohl größten bekannten Hygieneskandal in einem deutschen Krankenhaus. Nach Ansicht von Gutachtern war die Uniklinik Mannheim von 2007 bis 2014 nicht in der Lage, OP-Instrumente nach dem Gebrauch vorschriftsmäßig zu reinigen – wegen technischer, personeller und organisatorischer Mängel. Als Folge kamen immer wieder Skalpelle, Scheren, Pinzetten, Endoskope und andere medizinische Geräte zum Einsatz, die niemals hätten benutzt werden dürfen.

Für die Staatsanwaltschaft steht fest: Ex-Klinikgeschäftsführer Dänzer wusste von der Gefahr, tat aber nichts dagegen – trotz mehrfacher Warnungen und konkreter Hinweise von Klinikärzten auf „eine direkte Patientengefährdung“. Schon 2007 hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe als Aufsichtsbehörde die Mängel an der Mannheimer Klinik beanstandet. Doch „trotz des von ihm erkannten dringenden Handlungsbedarfs“, so die Anklage, habe Dänzer die Dinge laufen lassen. So kamen bis zu 350.000 Patienten unter Messer, an denen schon mal Blut, Haare oder Gewebereste, einmal auch eine tote Fliege, klebten.

Wie viele Patienten zu Schaden kamen, ist offen. Einzelne Betroffene hätten sich im Zuge der Ermittlungen gemeldet, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Großmann. Einen direkten Zusammenhang zwischen aufgetretenen Infektionen und möglicherweise kontaminiertem OP-Besteck jedoch konnte ein rechtsmedizinisches Gutachten „nicht mit der im Strafrecht erforderlichen Wahrscheinlichkeit“ belegen.

Ein anonymer Hinweis hatte den Mannheimer Hygieneskandal im Herbst 2014 auffliegen lassen. Dänzer trat daraufhin als Klinikgeschäftsführer zurück. Auch seine Anfang 2015 geplante Wiederwahl zum Präsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) gab er auf. Doch am 1. Dezember 2015 feierte Dänzer ein überraschendes Comeback. Trotz des bereits gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens – und ohne öffentliche Ankündigung – wurde er zum Aufsichtsratsvorsitzenden der DRK Kliniken Berlin berufen. Die halten auch nach der Anklage an ihm fest. „Solange keine Verhandlung geführt und kein Urteil gesprochen worden ist, gilt für Herrn Dänzer die Unschuldsvermutung“, sagte eine Sprecherin. An der Spitze des Kontrollgremiums wacht Dänzer in Berlin über vier Krankenhäuser mit rund 200.000 Patienten pro Jahr.