Berlin.

Das Gericht verlässt sich auf die Mutter. Auf ihren Schutzinstinkt. Ein Irrtum mit grausamen Folgen: Das neunjährige Kind, das bei ihr bleiben darf, wird fortan zwei Jahre lang von ihr sowie ihrem Partner missbraucht und gegen Geld europaweit pädophilen Männern angeboten. Der Fall in Staufen im Breisgau zieht seit einer Woche immer weitere Kreise. Nun sitzt die Justiz auf der Anklagebank – und unvermittelt die Bundeswehr in der Schmuddelecke. Denn unter den Verdächtigen ist ein Soldat der deutsch-französischen Brigade im elsässischen Illkirch – ausgerechnet. Der mutmaßliche Rechtsterrorist Franco A., der 2017 einen Skandal auslöste, kam von dort.

Wegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen – in 23 Fällen – war Christian L., der Lebensgefährte der Frau, schon zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Weil die Justiz von einer „hohen Rückfallgefahr“ ausgeht, erhält er nach Freilassung ein „Verbot, mit Personen unter 18 Jahren Kontakt aufzunehmen und mit ihnen zu verkehren“. Es gibt indes eine Ausnahmeregelung: Wenn Sorgeberechtigte anwesend sind. Ist die Mutter dabei, darf L. das Kind sehen. Darauf pocht sie, zieht vor Gericht, gewinnt, setzt sich gegen das Jugendamt durch. Das Oberlandesgericht erachtet „eine Trennung des Kindes von der Mutter nicht für erforderlich“; die Frau war nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, stand nicht im Verdacht, wie es rückblickend heißt.

Der erste anonyme Hinweis, dass das Kindeswohl gefährdet ist, geht bei den Behörden ein halbes Jahr später ein, am 10. September 2017. Fünf Tage später verhaftet die Polizei die 47 Jahre alte Frau und ihren zehn Jahre jüngeren Partner. In der Öffentlichkeit wird der Fall zunächst geheim gehalten, weil die Polizei weitere Täter vermutet, einen Schleuserring, die Ermittlungen sollen nicht gefährdet werden. In der Folgezeit nehmen die Fahnder vier weitere Männer im Alter von 32 und 49 Jahren fest, aus Freiburg, der Schweiz, Spanien – und den Soldaten.

Die Bundeswehr suspendiert ihn, seine Uniform darf er nicht tragen, die Bezüge werden halbiert. Zwangsläufig entlassen werden kann er nach dem Beamtenrecht aber nur, wenn ein Gericht eine Haftstrafe verhängt, die über ein Jahr hinausgeht. Davon ist bei einem Schuldspruch nicht immer auszugehen, aber in diesem Fall schon. Insgesamt weiß die Bundeswehr von 26 Verdachtsfällen von Kinderpornografie oder Missbrauch in ihren Reihen im Jahr 2017 – allerdings bei insgesamt 250.000 Soldaten und Bediensteten. Und wie im Breisgau geht es um Straftaten außerhalb der Kaserne. Irritiert hat die Bundeswehr registriert, dass ihr Soldat der einzige Verdächtige ist, über den die Justiz den Beruf verriet.