Berlin.

Kaum hat das neue Jahr begonnen, sind sie wieder da – die guten Vorsätze. Immer vorne mit dabei: mehr Bewegung, weniger oder gesünder essen. Doch allen guten Absichten zum Trotz dauert es meist nicht lange und die Pläne sind wieder über Bord geworfen. Oder sie werden beständig auf den nächsten Tag verschoben.

„So gut es den meisten Menschen tun würde – was uns vor dem Fasten ,schützt‘, ist unsere Liebe zum Essen“, sagt Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) mit einem Schmunzeln. Was viele dabei nicht wissen: Sich beim Fasten tagelang zu kasteien und aufs Essen zu verzichten, ist gar nicht zwingend erforderlich. „Innerhalb von wenigen Stunden schaltet unser Stoffwechsel bereits auf Fasten um und beginnt Energievorräte in den Zellen abzubauen“, erklärt Pfeiffer.

Fett in Organen, wo es eigentlich nicht hingehört

Das passiert mithilfe der sogenannten Autophagie, einer Art Selbstkannibalismus unseres Körpers. Die Zellen bauen nicht mehr benötigte Bestandteile ab und recyceln sie. Alte, geschädigte oder überflüssige Proteine, Fett und Zellorganellen werden abgebaut, um die Einzelteile neu zu verwenden. So wirkt der menschliche Körper Alterung und Stress entgegen und hilft sich selbst dabei, beispielsweise Infektionen oder auch Hungerperioden zu überleben.

Doch unter anderem durch übermäßiges Essen wird dieser Prozess gestört. „In einer Überflussgesellschaft wie unserer haben viele Menschen Fettablagerungen in Organen, wo Fett eigentlich nicht hingehört: in der Leber, den Muskeln, den Bauchspeicheldrüsenzellen, die das Insulin produzieren“, sagt Pfeiffer, der auch als Diabetologe an der Berliner Charité arbeitet. „Dieses Fett stört den Stoffwechsel und führt dazu, dass die Zellen keine Energie mehr aufnehmen wollen.“

Die Folge: Insulinresistenz und gestörte Autophagieprozesse. Das wiederum kann zu Parkinson, Demenz, Diabetes Typ 2, Krebs und anderen vor allem im Alter und bei Übergewicht auftretenden Krankheiten führen. Das Gute: Pfeiffer zufolge lässt sich dem durch kurzfristiges Fasten enorm schnell entgegenwirken. „Ein normaler Mensch hat etwa ein bis zwei Prozent Leberfett“, so der Experte. „Wenn wir an Weihnachten drei Tage so richtig geschlemmt haben, dann verdoppelt sich das.“

Aber schon innerhalb von zwei Tagen lasse sich das überschüssige Fett auch wieder loswerden. „Dafür müssen wir einfach die körpereigene Autophagie anschmeißen“, erklärt Pfeiffer. „Das können wir entweder mit Fasten machen oder mit Sport.“ Bei Letzterem sei es jedoch oft noch schwerer, den inneren Schweinehund zu überwinden. Wer zwei Tage fastet, kann danach schon wieder ganz normal essen.

Langfristig vollzogen, spricht man vom Intervallfasten und der wohl bekanntesten Form: der 5:2-Diät. Dabei wird zwei Tage pro Woche die Nahrungszufuhr reduziert – bei Frauen auf 500, bei Männern auf 600 Kalorien.

„Besonders an den Fastentagen ist es wichtig, viel Wasser zu trinken,“ betont Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Sie empfiehlt zudem stark verdünnte Fruchtsaftschorlen und Gemüsebrühe, um so Mineralstoffe und Vitamine aufzunehmen. Das ist bei der Fastenmethode auch ausdrücklich erlaubt. Kohlenhydrate wie Reis, Nudeln, Kartoffeln, Brot oder gar Zucker sind an den Fastentagen dagegen strikt verboten. Der Körper soll lernen, wieder auf seine Reserven zurückgreifen.

Eine andere Methode, die die Autophagie laut Forschern noch effektiver ankurbeln soll, ist die 8:16-Methode. Dabei wird nicht so lange am Stück gefastet, dafür aber täglich 16 Stunden lang ganz auf Nahrung verzichtet – beispielsweise von 20 Uhr bis 12 Uhr. Nur Wasser und etwas schwarzer Kaffee sind erlaubt. Generell sollte man jedoch mit Koffein während des Fastens vorsichtig sein, warnt Gahl. „Das regt nicht nur den Stoffwechsel, sondern auch das Herz-Kreislauf-System an, was zu Bluthochdruck führen oder andere Krankheitssymptome verstärken kann.“ Den Rest des Tages wird bei der 8:16-Methode normal gegessen.

Gerade im Vergleich zu klassischen Diäten sieht Gahl darin einen gewissen Vorteil: „Diese Art des Intervallfastens lässt sich relativ leicht in den Alltag integrieren, weil man keine speziellen Gerichte kochen oder sich an einen strikten Diätplan halten muss.“ Zudem werde für die Mahlzeiten eine ausgewogene, gesunde Ernährung empfohlen mit Vollkornprodukten und viel Gemüse – generell eine gute Sache. „Schließlich bleibt jedem selbst überlassen, was genau er an den restlichen Tagen isst“, so Gahl. Um langfristig das Gewicht zu regulieren, wäre eine Umstellung aber wichtig.

Intervallfasten sei nur gesunden Menschen bedenkenlos zu empfehlen, so die Experten. Dann aber gibt es Hinweise, dass es sogar die Lebenserwartung erhöhen könnte. „Wir wissen, dass Tiere – seien es Würmer, Fliegen oder auch Mäuse – länger leben, wenn man sie weniger essen lässt, als sie es freiwillig tun würden“, sagt Andreas Pfeiffer vom DIfE. „Das nennt man Kalorienrestriktion.“ Sogar Mäuse, die schon ein bisschen älter seien, seien dadurch nachweislich gesünder.

Die Tierversuche machten die Vorteile des Fastens also deutlich, so der Experte. Sogar eine erhöhte kognitive Leistungsfähigkeit habe sich gezeigt. Jedoch seien viele Effekte bislang eben nur bei Tieren nachgewiesen worden und nicht bei Menschen.

Erste Langzeitstudien wie die „InterFAST“-Studie der Universität Graz unter der Leitung von Frank Madeo sollen das ändern. Hier werden die Fasteneffekte auf den Menschen erstmals in systematischer Weise medizinisch und molekularbiologisch untersucht. Erste Ergebnisse werden bereits dieses Jahr erwartet. Eine kleinere Studie von Valter Longo, Professor für Biogerontologie und Zellbiologie an der Davis School of Gerontology (University of Southern California, USA) bestätigte, dass schon fünf Fastentage in drei Monaten auch beim Menschen zu deutlichen Stoffwechselverbesserungen führen. Und in Malaysia stieg einer Studie zufolge die Stimmung einer Gruppe depressiver Männer während einer dreimonatigen Untersuchung, wenn sie nur wenig essen durften.

Einen Versuch ist das Intervallfasten mit Blick auf die eigene Gesundheit also allemal wert. Erfahrungsgemäß werde diese Methode der Kalorienre­striktion auch leichter durchgehalten, ermutigt Pfeiffer. „Man muss sich nur darüber im Klaren sein, dass es nicht ganz fürchterlich ist, wenn mal der Magen knurrt.“