Die Dokumentation „Julian Schnabel: A Private Portrait“ über den US-Maler und -Filmregisseur ist am Ende zu viel der Lobhudelei

Vielleicht bemisst sich die Größe eines Künstlers ja darin, wie sehr man seine Anwesenheit genießt. „The Artist Is Present“ – „Der Künstler ist anwesend“, nannte etwa Marina Abramovic eine ihrer Installationen, bei der sich Ausstellungsbesucher ihr gegenübersetzen konnten.

Die im gleichnamigen Film dokumentierten Szenen belegten die große Intensität einer solchen Erfahrung, die keine Kritik von wegen „Persönlichkeitskult“ zunichtemachen kann. Wer das Werk eines Künstlers schätzt, wird sich meistens auch für ihn als Person interessieren, weil die Beziehung zur Kunst eben das ist: eine Beziehung, ein quasi persönliches Verhältnis.

Pappi Corsicatos „privates Porträt“ des Malers und Filmemachers Julian Schnabel liefert in dieser Hinsicht allen Interessierten das Gewünschte: viele Gesprächsmomente mit Schnabel selbst, ergänzt von Interviews mit seinen Liebsten und Nächsten, und das Ganze montiert zu einer flüssigen chronologischen Schilderung seines Werdegangs, von der frühen Kindheit in Brooklyn/New York City über die Jugend in Brownsville in Texas bis zu den ersten großen Ausstellungserfolgen und weiter durch die Jahrzehnte des Erfolgs bis hin zum Filmemachen.

Dass man nichts wirklich Neues erfährt, dass sich die Fakten dessen, was hier mithilfe von illustren Zeitzeugen rekonstruiert wird, alle bei Wikipedia nachlesen lassen, spricht keineswegs gegen diesen Film. Es ist weniger das Faktenwissen als eben die dokumentierte Präsenz derer, die dabei waren, die dem Film seine Aura verleiht. Man verbringt die knapp 90 Minuten in intimer Nähe Schnabels und mit seinem Werk. So bekommt man all seine Kinder zu Gesicht, und bis auf das jüngste, das noch nicht sprechen kann, berichten sowohl die drei aus der ersten Ehe als auch die zwei aus der zweiten lebendig und ohne jede Bitterkeit von ihrem Vater und seinen Obsessionen, von Spielen und Kollaborationen mit ihm und auch von seiner Abwesenheit.

Ähnlich machen es die Ex-Frauen, die Schwester und die handverlesene Zahl von prominenten Freunden. Man begreift, dass das Wort „privat“ im Titel sich weniger auf das Privatleben Schnabels bezieht als vielmehr auf die Privatheit des Freundeszirkels, der hier zu Wort kommt.

Darin liegt auch die verpasste Chance dieses Films: Pappi Corsicato hat einen privilegierten Zugang zu Schnabel, aber er nutzt ihn nicht zur Recherche. Was Kinder, Frauen und Freunde erzählen, geht nie über das Lobende und Anekdotische hinaus. Man bekommt glaubhaft den Eindruck vermittelt, dass Schnabel ein sympathischer Vater, Partner und Freund sein muss. Aber all das Gerede über seine Persönlichkeit und die Orte und Dinge, die ihn inspirieren, führt seine Kunst primitiv auf Autobiografisches zurück.

Als wären seine Bilder und Filme eine Summe aus texanischer Landschaft, Surf-Erfahrung und Erinnerungen an die Eltern – und nicht doch sehr viel mehr. Außen vor bleibt, was man „privat“ gern mal erfahren hätte: Seit wann und weshalb er nur noch Pyjamas trägt.

„Julian Schnabel: A Private Portrait“
USA/I 2017, 85 Min., o. A., R: Pappi Corsicato,
täglich im Abaton (OmU), Koralle; www.weltkino.de/film/kino/julian_schnabel_a_private_portrait