Las Vegas.

Es dürften die längsten Sekunden im Leben von David Vander-haal gewesen sein. Gerade noch hatte der Marketing-Manager des südkoreanischen Tech-Konzerns LG vor Hunderten Journalisten angepriesen, wie leicht sich das vernetzte Zuhause mit dem putzigen Roboter CLOi steuern ließe, da ignoriert das kleine Kerlchen live auf der Bühne einfach seine Befehle. Was auch immer Vanderhaal ihm zuruft – Robo CLOi rührt sich nicht. Genau deswegen passt die Elektronikmesse CES so gut zu Las Vegas: Die Präsentation der noch nicht serienreifen Geräte ist atemberaubend und manchmal eben auch ein Glücksspiel.

Seit gestern Abend um 19 Uhr deutscher Zeit hat die weltgrößte Technik-Show CES zum 51. Mal ihre Türen geöffnet. Mehr als 4000 Aussteller präsentieren ihre Neuheiten. Was hier gezeigt wird, beeinflusst in den kommenden Jahren die Technik-Schmieden in aller Welt. Zum Beispiel die Display-Technologie bei den Fernsehern.

Eine Fernsehwand aus rechteckigen Mikro-LEDs

„The Wall“, also „Die Wand“, von Samsung ist ein TV-Gerät mit gigantischen 146 Zoll (3,71 Meter) Bilddiagonale. Das Besondere daran ist nicht nur die Größe, sondern der Aufbau. Während das Display eines typischen LCD- oder OLED-Fernsehers aus einem Stück besteht, ist The Wall aus kleinen rechteckigen Mikro-LED-Modulen zusammengesetzt. Und die lassen sich laut Samsung auch in nahezu beliebigen anderen Größen und Formaten kombinieren. Das erlaubt künftig vielleicht ja sogar einen Fernseher nach Maß.

Vor allem die Technologie der Mi­kro-LED-Module ist interessant. Anders als bei typischen LCD-Displays, in denen die LEDs nur als Hintergrundbeleuchtung dienen, sind die Mikro-LEDs selbst die leuchtenden Pixel. Preis und Verfügbarkeit sind bis jetzt nicht bekannt. Mit Mikro-LEDs bestückt ist Samsungs neuer QLED-TV in 8K-Auflösung – mit viermal mehr Pixeln als ein 4K-Fernseher. Der Verkaufsstart in Europa ist noch offen, ebenso der Preis.

Ein Trend, der bei fast allen TV-Herstellern zu beobachten war, ist die Nutzung stärkerer Chips zur Bildoptimierung einerseits und die Integration von Sprachassistenten andererseits, die den Fernseher zur neuen Smarthome-Zentrale machen. Samsung setzt dabei auf seinen eigenen Assistenten Bixby, LG auf den Google Assistant und Hisense zusätzlich noch auf Amazons Alexa.

Zeigte die CES früher vor allem klassische Unterhaltungselektronik, stiehlt sie heute etablierten Automessen die Show. Elektromobilität, vernetzte Systeme und neue Fahrzeugtechnologien sind die Themen. Im Vorfeld gab es einen Elektro-SUV des chinesischen Start-ups Byton zu sehen. Aber auch Branchenriesen wie Toyota treiben den digitalen Wandel. Ein Beispiel dafür ist das Konzept „e-Palette“, das Firmenchef Akio Toyoda vorstellte. Dabei handelt es sich um eine Art selbstfahrenden Multifunktions-Minibus, der innerhalb kürzester Zeit umfunktioniert werden kann: zum ultramobilen Verkaufsraum, der nach einer Online-Bestellung zum Anprobieren der Schuhe direkt beim Käufer vorfährt, zur mobilen Arztpraxis, die auch dünner besiedelte Gebiete abdeckt – oder zu einem Geschwader automatisierter Paketauslieferer, denn die Fahrzeuge können zu Ketten verbunden werden. Als Partner konnte Toyota bereits Amazon, Pizza Hut oder Uber gewinnen. 2020, so die Hoffnung, könnte der e-Palette bei den Olympischen Spielen in Tokio vorfahren.

Ein dritter Trend ist die zunehmende Vernetzung und der verstärkte Einsatz von Technologien wie künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) in aller Art technischer Geräte. Vom smarten Babymonitor über tragbares Fitness- und Gesundheitszubehör, sogenannte Wearables, bis hin zum Service-Roboter für die Gastronomie: Überall wird auf computergestützte Mustererkennung und ähnliche Verfahren gesetzt. LG etwa lässt den Kühlschrank mit dem Backofen und den Backofen mit der Geschirrspülmaschine kommunizieren: Der digitale Sprachassistent Alexa schlägt dem Anwender auf Basis der Lebensmittel im Kühlschrank ein Rezept vor; der Backofen weiß, auf welche Temperatur er sich vorheizen muss und gibt an die Geschirrspülmaschine weiter, dass das Gericht fettig wird, woraufhin dieser für den nächsten Spülgang eine höhere Temperatur und längere Laufzeit einstellt. Samsung verspricht ähnliche Funktionen für seine Haushalts- und Küchengeräte.

Weil Amazon, Microsoft oder Google ihre gewaltige Rechenpower günstig vermieten, greifen auch kleine Firmen und Start-ups auf die beeindruckenden Fähigkeiten künstlicher Intelligenz zurück. Kleine, einfache Geräte können plötzlich Dinge, für die bislang teures medizinisches Equipment nötig war — wie etwa „Neutrogena-Skin-360“. Mit diesem Aufsatz fürs Smartphone lassen sich Hautpartien vergrößert fotografieren. Anschließend werden die Daten in der Cloud ausgewertet und der Zustand der Haut so detailliert bestimmt, wie das laut Hersteller bislang nur ein Hautarzt konnte.

Im Babymonitor „Clarity“ von Cocooncam stecken nur eine HD-Kamera und ein Infrarotsensor. Dennoch können aus den Bildern Atemfrequenz, Blutsättigung und vieles mehr abgelesen werden. Zudem analysiert die Kamera den Schlaf und gibt Eltern Hinweise, was sich verbessern lässt.

Auch im Bereich der Gesundheitstechnik findet man auf der CES viele Produkte mit Analysefähigkeit. „Siren Diabetic Socks“ etwa haben Sensoren in den Sockenstoff eingewebt. Sie erkennen, ob mit dem Fuß des Trägers alles in Ordnung ist. Diabetiker können Wunden an den Füßen oft nicht spüren. Die Sensoren der Socke bemerken dies sofort und warnen den Träger per App – bevor es zu einer schlecht abheilenden Stelle kommt.

„Smart Sleep“ von Philips ist ein smartes Stirnband, das die Hirnwellen des Trägers während des Schlafs messen und analysieren können soll. Laut Hersteller intensiviert es durch gezielte niederwellige Beschallung den Tiefschlaf des Trägers. Tatsächlich sei das Verfahren klinisch getestet. Der Preis des Stirnbands dürfte manchen allerdings noch die Nachtruhe rauben: Er liegt bei 400 Dollar (335 Euro).