Berlin.

Die Schatzjäger kamen mit Hacke und Spaten. In einem Wald bei Dresden haben sie mehrere Hügelgräber aufgebrochen – mysteriöse, 3000 Jahre alte Kultstätten, von denen es Hunderte in Sachsen gibt. Nachdem die Plünderung im Dezember entdeckt wurde, sind Archäologen aufgebracht: Schon wieder haben die sogenannten Raubgräber zugeschlagen. Wieder und wieder zerstören sie historische Hinterlassenschaften – und werden zu einem ernsthaften Problem.

Denn es gibt immer bessere Suchgeräte, mit denen Schatzjäger Metall im Boden aufspüren können. Experten schätzen, dass deutschlandweit 30.000 Sondengänger unterwegs sind. Sie pirschen durch Wälder, klettern in Baugruben und durchwühlen ausgehobene Sandberge auf der Suche nach steinzeitlichen Feuersteinen, mittelalterlichen Münzen oder Stahlhelmen aus dem Zweiten Weltkrieg. Susanne Friedrich vom Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale befürchtet, dass die Zahl noch größer ist. „Wir ahnen vermutlich nicht, wie viele unterwegs sind. Es dürfte eine Dunkelziffer geben“, sagt die Archäologin.

Um nicht entdeckt zu werden, tragen manche Raubgräber Tarnkleidung. Besonders zahlreich sind sie in geschichtsträchtigen Regionen, etwa dem einstigen Siedlungsgebiet der Römer entlang des Rheins. Professionelle Raubgräber schmuggeln ihre Funde über die niederländische Grenze und deponieren sie dort häufig in Ferienhäusern, sagt Sven Schütte, ehemaliger Direktor des Amtes für Archäologische Bodendenkmalpflege in Köln. Dann fälschen sie die Herkunftsnachweise der Stücke und verkaufen sie an Hehler, die die Funde wiederum auf dem internationalen Kunstmarkt anbieten.

Der Gewinn ist enorm. 1990 entdeckte ein Mann am Ammersee in Bayern keltische Goldmünzen und verkaufte sie illegal für rund 50.000 Euro. Mit dem Geld setzte er sich in die Karibik ab. Denkmalschützer kamen ihm jedoch auf die Spur – er hatte in einer Fachzeitschrift mit seinem Coup geprahlt. 2014 stieß ein 22-Jähriger in der Südpfalz auf einen Gold- und Silberschatz, den wohl ein Fürst hastig vergraben hatte, als im fünften Jahrhundert marodierende Germanen ins Römische Reich eindrangen. Wert: mehr als eine Million Euro.

Auch die sogenannte Himmelsscheibe von Nebra, eine 3600 Jahre alte Bronzeplatte von enormem archäologischem Wert, wurde 1999 von zwei Raubgräbern mit Metallsonden in einem Wald in Sachsen-Anhalt entdeckt und drei Jahre später von der Polizei sichergestellt. Susanne Friedrich vom Hallenser Landesmuseum für Vorgeschichte ist zwar froh, dass das Relikt überhaupt entdeckt wurde. Jedoch: „Die Himmelsscheibe allein hat nicht die Aussagekraft wie der Fundzusammenhang.“

Wer erwischt wird, muss mit Gefängnisstrafe rechnen

Nicht nur Raubgräber bedrohen das historische Erbe. Auch Hobby-Forscher treiben professionelle Archäologen zur Weißglut. Etwa zehnmal im Jahr kommen Menschen mit Fundstücken, die sie mit einem Metalldetektor gefunden haben, zu Susanne Friedrich ins Museum. „Sie denken, dass sie der Geschichte etwas Gutes tun. Wenn ihnen erklärt wird, dass sie gar nicht in den Boden eingreifen dürfen, erschrecken sie, denn es ist ja nicht ihre Absicht, die eigene Geschichte zu zerstören.“ Tatsächlich ist die Suche nach archäologischen Funden ohne Erlaubnis der Denkmalbehörde verboten. Bei Zufallsfunden überlassen einige Bundesländer dem Finder jedoch die Hälfte des Schatzes.

Die Zerstörung von Kulturdenkmälern kann mit zwei Jahren Gefängnis bestraft werden. Verhindern lassen sich Plünderungen nicht. Es gebe einfach zu viele Ausgrabungsstellen, um sie alle zu bewachen, glaubt Susanne Friedrich. Die Raubgräber von Sachsen haben in den Hügelgräbern indes wohl nichts Wertvolles entdeckt: Darin befinden sich nur Überreste alter Feuerstellen.