Berlin.

Künftig könnte es in Tierheimen Lautsprecher in den Zwingern und Käfigen geben. Und einen Discjockey. Der legt für Hunde dann Reggae und Softrock auf. „Who Let the Dogs Out“ (Baha Men), „I love my Dog“ (Cat Stevens) oder „Heart of a Dog“ (The Kills), so etwas würde ihnen gefallen. Die Katzenabteilung hingegen wird mit Klassik besäuselt, aber nicht etwa mit Bach und Beethoven, sondern mit eigens komponierten Werken mit Frequenzen, die sich an Schnurr- und Schmatzlauten orientieren. Auch im heimischen Wohnzimmer kann man so was gut laufen lassen, damit sich der tierische Sozialpartner wohlig auf dem Sofa räkelt.

Zukunftsmusik? Von wegen. Passende CDs für Katzen, die sich an deren Hörfrequenzen orientieren, gibt es bereits. Der amerikanische Musiker David Teie besitzt sogar ein US-Patent auf die Produktion von „artspezifischer Musik“, die tierische Geräusche adaptiert. Das soll funktionieren: Wie der US-Psychologe Charles T. Snowdon und sein Team im Fachblatt „Applied Animal Behaviour Science“ berichten, hätten sich die Testtiere bei den Katzenmelodien sogar am Lautsprecher gerieben und dabei kräftig geschnurrt.

Hunde hören am liebsten Reggae oder Softrock

Hunde hingegen scheren sich weniger um klassische Klänge. Forscher der Universität Glasgow fanden heraus, dass die Vierbeiner am besten chillen, wenn sie Reggae oder Softrock hören. Möglicherweise liege das an dem herzschlagartigen Rhythmus und den immer wiederkehrenden Melodien, vermuten sie. Dass Musik nicht nur die menschliche, sondern auch die tierische Seele berührt, haben bereits einige Studien gezeigt. Allerdings gibt es viel Unklarheit darüber, wie Tiere die Musik wahrnehmen. Fakt ist, dass viele Tiere ein höchst sensibles Gehör haben und vielfach unter Lärm leiden, an den Straßen, in der Luft, in den Meeren – aber eben auch in den Häusern. Zum Beispiel Fische, bei denen der Aquaristikanfänger ja zunächst mal keine Ohren vermutet.

Doch auch Zierfische – allein 80 Millionen schwimmen in deutschen Aquarien – haben empfindliche Hörorgane. Statt mit den Ohren hören sie mit anderen Organen, die sich über den ganzen Körper ziehen, zum Beispiel mit Seitenlinienrezeptoren oder der Schwimmblase. Damit nehmen sie die Schwingungen wahr, die der Schall im Wasser verursacht. Laute Musik oder ein ausgelassener Kindergeburtstag könnten im Aquarium zu enormen Stress führen, sagt Reinhard Kopiez, Professor für Musikpsychologie an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. „Sie sind einem permanenten Vibrationsregen ausgesetzt, können aber ihren Fluchtreflex nicht ausleben.“ Tierschutzorganisationen fordern ein Verbot für die Fischhaltung in Discos, wo sie mit lauter Musik, hämmernden Bässen und an Scheiben klopfenden Besuchern beschallt werden.

Kopiez hat mit seinen Studenten in einem Langzeitprojekt auch die Hörwelt weiterer Haus- und Nutztiere erforscht. Konkret ging es darum, aufzuklären, wie Tiere unterschiedliche Töne empfinden und welche Schallinformationen sie überhaupt wahrnehmen. Dafür griffen die Hannoveraner auf die Datensammlung des US-Zoologen Richard Fay zurück, der das Hörvermögen sämtlicher Wirbeltiere ausgewertet hatte. Kopiez entwickelte aus Fays Tieraudiogrammen digitale Filter, durch die er Musik schickte – von Klavierstücken über Popmusik bis hin zum großen Orchester – und so mit den Klangwelten der Spezies verglich. Dabei bestätigte sich vieles, was sich schon bei Verhaltensstudien angedeutet hatte. Kühe haben demnach ein erstaunlich hochfrequentiertes Gehör. Die Rindviecher nehmen etwa das gleiche wie der Mensch wahr – sogar etwas mehr. Eine Kuh auf der Weide, an deren Hals 24 Stunden am Tag eine Glocke hängt, könne also dauerhaft schwere Hörschäden davontragen, so Kopiez. Forscher der ETH Zürich fanden unlängst heraus, dass sich das permanente Gebimmel auch negativ auf das Fressverhalten der Rindviecher auswirkt.

Nager wie Meerschweinchen hören laut Kopiez ähnlich gut wie Menschen mit gesunden Ohren – also Töne, deren Frequenz zwischen 20 und 20.000 Hertz liegen. Wer sich dagegen eine Schildkröte hält, kann die Musikanlage getrost aufdrehen. „Sie haben nur ein ganz einfaches Hörsystem und nehmen allenfalls die Welt als dumpfes Grummeln wahr“, sagt der Musikpsychologe.

Bei Katzen ist Vorsicht geboten. Für sie sind Frequenzen von bis zu 65.000 Hertz, die für Menschen längst nicht mehr hörbar sind, gar kein Problem. So könnten sie auch das leise Quieken einer Maus oder auch eine Hundepfeife vernehmen, wie Kopiez festgestellt hat. 32 Muskeln in den Katzenohren (bei Menschen sind es nur sechs) sorgen dafür, dass sie ihre Lauscher unabhängig voneinander um bis zu 180 Grad drehen können. Außerdem können Katzen dreidimensional hören – eine Fähigkeit, die bei der Beutejagd hilfreich ist.

Scheinbar tanzen Katzen und Hunde auch viel. Zumindest in den sozialen Medien führen „Dancing-Dogs“ und „Boogie-Babykatzen“ oft die Klickparade an. Dabei gehe es weniger um Rhythmusgefühl als um eine erlernte Bewegung, waren sich Wissenschaftler lange Zeit einig. Tieren sprach man das Erkennen von Takten grundsätzlich ab.

Seelöwin zeigt Headbanging zu Heavy Metal

Diese Gewissheit wurde schon 2007 von einem Vogel namens Snowball erschüttert. Der Gelbhaubenkakadu avancierte zum Präzedenzfall in der Musikforschung, weil er nicht nur zu einem Stück ­tanzen konnte – er passte seine Bewegungen auch prompt an, wenn das Lied langsamer oder schneller vorgespielt wurde. Nach ähnlichen Beobachtungen bei anderen Papageien ging man davon aus, dass fürs tierische Taktgefühl eine wichtige Voraussetzung erfüllt sein muss: die Fähigkeit, Stimmen imitieren zu können.

Diese Theorie wurde jüngst von der kalifornischen Seelöwin Ronan durchkreuzt. Seelöwen haben nur eine geringe Klaviatur an Lauten. Doch Ronan beeindruckte beim Headbanging zu Pop- oder Heavy-Metal-Musik die Meeresbiologen der University of California. Die Seelöwin zögere nicht einmal, den Takt zu erkennen und wiederzugeben. Man müsse annehmen, so die Experten, dass der neuronale Mechanismus zum Erkennen unterschiedlicher Takte im Tierreich deutlich weiter verbreitet sei, als man dachte.