Hongkong.

Wohin mit den Toten in einer Stadt, in der es schon für die Lebenden kaum Platz gibt? In der Sieben-Millionen-Metropole Hongkong sterben jährlich 40.000 Menschen. Doch obwohl sich 93 Prozent einäschern lassen, gibt es kaum Raum selbst für die kleinste Urne. Denn die Stadt kann nur 10.000 Urnenplätze pro Jahr zur Verfügung stellen. Konsequenz: eine Wartezeit von bis zu sechs Jahren.

Also weichen viele Hongkonger auf Grabstätten weit außerhalb der chinesischen Sonderverwaltungszone aus – auf Städte wie Shenzhen oder Guangzhou, die mit dem Zug zu erreichen sind, aber eben jenseits der bewachten Grenze liegen. Das wiederum führte zu einem Boom der virtuellen Friedhöfe. Das sind Online-Plattformen, auf denen Angehörige für ihre Verstorbenen spezielle Gedenkseiten einrichten können. Freunde und Verwandte können auf diese Weise ihre Trauer im Internet bezeugen, ohne eine Tagesreise zu unternehmen.

Ein Hongkonger Jungunternehmer möchte nun einen deutlichen Schritt weitergehen. Er will mit seinem Start-up namens iVeneration die gesamte Bestattungskultur ins Netz verlegen. Der Gang zum Friedhof fällt dann weg. Auch ein Urnenplatz ist dann nicht mehr nötig – die Asche wird verstreut. Das Gedenken an den Verstorbenen soll stattdessen jederzeit per Mausklick möglich sein.

„Mit virtuellen Hilfsmitteln könnten wir unser Bestattungsproblem in Zukunft lösen“, zeigt sich Anthony Yau überzeugt. Warum nicht den Friedhof und sogar die Trauerfeier in die Computerwelt verlegen? Das sei billiger und entspreche zudem den Gewohnheiten der modernen Menschen. Sie hätten schließlich einen Großteil ihres Soziallebens auch ins Netz verlegt.

Yau will so langfristig auch Platz für die Lebenden schaffen. „Tote nehmen sogar mehr Platz weg als Lebende“, sagt er. Wer lebt, bewege sich, sei flexibel und wohne oft platzsparend in Hochhäusern. Auf einem Quadratmeter Land ließen sich also sehr viele Menschen unterbringen. Gräber hingegen blockierten über Jahrzehnte hinweg kostbare Fläche.

Entsprechend teuer ist ein herkömmliches Grab für die meisten Hongkonger. Umgerechnet bis zu 125.000 Euro kostet Angehörigen eine Bestattung auf Hongkonger Boden. Und selbst die Lagerung einer Urne mit der Asche eines verstorbenen Angehörigen koste einige Tausend Euro.

2018 will Yau mit seinem virtuellen Bestattungsinstitut an den Start gehen. Das Ganze nimmt schon konkrete Gestalt an. Auf der bereits programmierten Webseite finden sich Grabsteine, Altäre und ganze Villen, in denen die Toten untergebracht sind – alles virtuell. „Augmented reality“, nennt sich die Technik, die das Start-up anwenden will, die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Mithilfe einer entsprechenden Brille wird der Grabstein dreidimensional dargestellt. Der Nutzer hat das Gefühl, als würde er unmittelbar davorstehen.

Digitale Blumen und Kerzen am digitalen Grab

Die Möglichkeiten der virtuellen Begräbnisstätten sind grenzenlos: Anstatt auf einem Friedhof wird man der Verstorbenen künftig auch in Parks, Wäldern, in der Natur oder gar vor prominenten Bauwerken gedenken können. Wie bei echten Grabstätten können die digitalen Gräber zudem mit Kerzen, Blumen, religiösen Schriften und Fotos der Verstorbenen geschmückt werden. 300 Hongkonger hätten bereits ihr Interesse bekundet.

Sein Angebot will Yau auch in Rest-China vermarkten. Dort gehören allerdings aufwendige Grabstätten zur Bestattungskultur. Er sieht darin jedoch kein Problem. Wenn diese Gräber künftig virtuell noch prächtiger erstellt würden, sei der Zweck ebenso erfüllt.