Imitation muss nicht immer etwas Schlechtes sein. Welchen Film die Macher von „Dieses bescheuerte Herz“ zumindest ein wenig nachahmen wollen, das geben sie mit der ersten Szene offen zu: Wie der französische Megaerfolg „Ziemlich beste Freunde“ beginnt es mit einer rasanten Autofahrt. Lenny (Elyas M’Barek) heizt nach einer Disconacht nach Hause. Fast kriegt er die Kurve nicht, als er zur eigenen Villa abbiegt, offenbar ist er auch zu betrunken, um das Bremspedal zu finden. Jedenfalls braust er durch die Garage durch und landet im Swimmingpool. Ungerührt steigt er aus dem sinkenden BMW, wobei er seinem fassungslosen Vater (Uwe Preuss) versichert: „Ich räum das morgen auf!“

Nicht alle Ideen der Drehbuchautoren sind wirklich frisch

Schon mag man sich als Zuschauer auf eine flache Lifestyle-Komödie einstellen, da kommt in hartem Kontrast die nächste Szene, in der den 15-jährigen David (Philip Schwarz) nachts Panik überfällt, weil er keine Luft mehr zu kriegen glaubt. Mit dem Rettungswagen geht es ins Krankenhaus, die verängstigte, aber auch gefasste Reaktion der Mutter (Na­dine Wrietz) weist darauf hin, dass so was Routine für sie ist. Tatsächlich ist David schwer herzkrank, wurde bereits mehrfach operiert und hat voraussichtlich nicht mehr lange zu leben.

Die zwei so gegensätzlichen Eröffnungsszenen lesen sich wie ein Programm: Man weiß, es wird darum gehen, dass der verwöhnte Lenny mit dem krankheitsbedingt sehr eingeschränkten David zusammenkommt und dass aus dieser Begegnung für beide etwas rausspringt. So ähnlich wie bei „Ziemlich beste Freunde“ eben. Auf diese Begegnung muss man in „Dieses bescheuerte Herz“ nicht lang warten. Denn Lennys Vater ist Davids behandelnder Arzt – und nachdem der Sohn auch Tage später das Auto noch nicht aus dem Pool geholt hat, lässt er dessen Kreditkarten sperren und stellt Bedingungen: Lenny soll mit David Zeit verbringen.

So kommt es, dass einer der „coolsten“ Leinwandtypen, die Deutschland im Moment so hat, an einen der wohl „uncoolsten“ Orte gehen muss, die es in der Realität gibt: ein Jugendhospiz. Allein für diese Szenen muss man den Film mögen: wie sich der smarte Elyas M’Barek mit leicht unsicheren Schritten den Weg bahnt vorbei an lauter von Krankheit und Gebrechlichkeit gezeichneten Jugendlichen. Es gehört zu den starken Seiten des Films, dass es ihm immer wieder gelingt, die Illusionen des Kinos vom flotten Leben, schnellen Autos und coolen Typen mit den Härten von Krankheit und mangelnden Möglichkeiten zusammenzubringen.

Nicht alle Ideen, die die Drehbuchautoren Maggie Peren und Andi Rogenhagen hier in der Umsetzung eines autobiografischen Stoffes einsetzen – der Autor Lars Amend hat ein Buch über seine Freundschaft mit dem herzkranken Daniel Meyer geschrieben –, sind wirklich frisch. So regt Lenny seinen Schützling David dazu an, eine Liste der Dinge, die er noch erleben will, anzulegen.

Davids „Bucket List“: in einen Club gehen, ein Mädchen nackt sehen

Die besteht zum großen Teil aus Sachen wie: in einen Club gehen, in einerLimousine fahren, ein Mädchen nackt sehen. Dabei ist es weniger die „Bucket List“, die einem abgeschmackt vorkommt, sondern deren Umsetzung: Einerseits fallen die Dinge dem coolen Lenny allzu leicht, andererseits sind die Widerstände, die der Film zur Spannungserzeugung bereitet, einfallslos und äußerlich, etwa wenn die Sauerstoff­flasche, auf die David angewiesen ist, trotz Mahnung vergessen wird.

Elyas M’Barek lässt sich in dem Film als ernsthaften Schauspieler entdecken

Doch letztlich verzeiht man diesem Film, dass er auf bewährte Muster zurückgreift im Hin und Her zwischen Tragik und Klamauk. Nicht zuletzt, weil man ­Elyas M’Barek hier als ernsthaften Schauspieler entdecken kann, der die Klischeerolle des missratenen, sich aber läuternden Sohns mit einnehmendem Nuancenreichtum hinkriegt und dem uner- ­fahreneren Partner Philip Schwarz dabei auch noch unterstützend Geltung verschafft.

„Dieses bescheuerte Herz“ D 2017, 104 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Marc Rothemund, Darsteller: Elyas M’Barek, Philip Schwarz, Uwe Preuss, täglich im Abaton, Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Koralle, Passage, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek