Stockholm.

Die „#MeToo“-Kam
pagne gegen sexuelle Übergriffe schlägt in Schweden immer noch riesige Wellen, da kündigt die rot-grüne Regierung in Stockholm an, das Sexualstrafrecht zu verschärfen. „Die Botschaft ist klar“, gaben der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven und zwei seiner Minister bekannt: „Finde heraus, ob die Person, mit der du Sex haben willst, es tatsächlich auch will. Wenn du unsicher bist, lässt du es. Sex muss freiwillig sein.“

Damit gehe einher, dass ein Täter nicht mehr Gewalt oder Bedrohung angewendet haben muss, um wegen Vergewaltigung verurteilt werden zu können – eine Parallele zum verschärften deutschen Sexualstrafrecht. Dieses macht allerdings nicht das Ja des Einverständnisses zur Bedingung, sondern gibt im Umkehrschluss an, dass der „erkennbare“ Unwille eines Partners für einen Straftatbestand ausreicht („Nein heißt Nein“). In schwedischen Internetforen regt sich Protest: Wer sichergehen will, sollte sich die Genehmigung lieber schriftlich geben lassen, wird dort kommentiert. Schließlich stünde ja Wort gegen Wort.

Das neue „Einverständnis-Gesetz“, an dem die Regierung schon länger arbeitet und das von der aktuellen Debatte nun Rückenwind bekam, soll im Juli 2018 in Kraft treten. Der Premier ist überzeugt davon, dass mit dem Gesetz mehr Urteile wegen sexueller Übergriffe und Vergewaltigung gefällt werden. Zumal zwei neue Tatbestände eingeführt werden: die „unachtsame Vergewaltigung“ und der „unachtsame sexuelle Übergriff“. „Es geht um Situationen, in denen man hätte einsehen müssen, dass das Gegenüber nicht mitmachen möchte“, sagt Justizminister Morgan Johansson. „#MeToo“ habe deutlich gemacht, wie sehr Frauen Übergriffen ausgesetzt seien.

Täglich berichten derzeit zahlreiche Schwedinnen in sozialen und klassischen Medien darüber, wie sie im Schlaf oder betrunkenen Zustand vergewaltigt wurden und deshalb nicht die Chance hatten, Nein zu sagen. Oft beschreiben sie auch, dass sie zwar präsent waren, aber psychisch „einfroren“ und es ihnen nicht möglich war, ihre Ablehnung zu äußern. Zudem, so berichtet eine Politikerin der Grünen anhand eigener Erfahrungen offen auf Facebook, würde Frauen auch erst Tage oder Wochen nach dem Sex bewusst, dass sie eigentlich vergewaltigt worden sind.

Premierminister Löfven erhofft sich eine Signalwirkung: „Es ist nicht falsch, die Botschaft in die Gesellschaft zu senden, dass Sex freiwillig sein muss und ansonsten ungesetzlich ist“, sagte er der Zeitung „Aftonbladet“.

Bereits jetzt ist die Gesetzgebung in Schweden scharf. So wurde etwa nach Wikileaks-Gründer Julian Assange wegen des Verdachts auf „weniger grobe Vergewaltigung“ gefahndet. Er benutzte kein Kondom beim ansonsten von zwei Frauen als einvernehmlich beschriebenen Sex.

Schweden befindet sich derzeit in einer feministischen Aufbruchsstimmung. Zahlreiche Männer aus verschiedenen Branchen verloren ihre Stelle, nachdem führende Zeitungen sie namentlich in Artikeln nannten. Darin werfen ihnen anonym gehaltene Frauen sie sexuelle Übergriffe vor, die teilweise Jahrzehnte zurücklagen.

„Hexenjagd“-Kommentar: Kolumnist verliert Job

Zumindest öffentlich gibt es kaum Kritik am harten Kurs von Medien und Politik. Im Gegenteil. Das Prinzip der Unschuldsvermutung bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung hätten führende Landesmedien zeitweise völlig aufgehoben, kritisierte ein älterer Kolumnist der Zeitung „Aftonbladet“. Er schrieb von einer „Hexenjagd mit Zügen von Stalins Säuberungsaktionen“. Dafür wurde er gefeuert.

Sämtliche Parlamentsparteien sind für die Verschärfung des Sexualstrafrechts. Gegenstimmen gab es nur von Juristen. „Das Gesetz verlangt ja, dass bei jeder neuen sexuellen Handlung immer wieder erneut um Erlaubnis gebeten werden muss. Erwachsene Menschen wissen doch, dass man nicht vor jedem Akt verhandelt und so ein Abkommen schließt“, kritisierte Anne Ramberg, Chefin des schwedischen Anwaltsverbands, im Sender SVT. Es werde in der Rechtspraxis sehr schwer sein, zu definieren, was als Eindruck von Freiwilligkeit beim Sex gewertet werden kann.