Hamburg. Beispiellose Fahndung der Hamburger Polizei: 104 Fotos sollen Hinweise auf Krawallmacher bringen. Ein großer Teil der Täter kam offenbar aus dem Ausland – und viele Schaulustige ließen sich mitreißen

Es ist eine historische Aktion der Hamburger Polizei: Mit 104 Fotos fahnden die Ermittler nach Personen, die während der Krawalle um den G-20-Gipfel an Ausschreitungen oder Plünderungen beteiligt gewesen sein sollen. Noch nie wurden so viele Männer und Frauen auf einmal öffentlich mithilfe von Bildmaterial gesucht.

Die Bilder sind in fünf Themenkomplexe zu den Geschehnissen beim Gipfel sortiert – sie entstanden etwa während der schweren Krawalle am 7. Juli im Schanzenviertel, nach Verwüstungen auf der Elbchaussee in Altona und dem Zusammenstoß von mehreren Hundert Personen in einem „Schwarzen Block“ mit der Polizei am Rondenbarg. „Wir erhoffen uns eine große Verbreitung“, sagte Polizeisprecher Timo Zill. Ermittler der Soko „Schwarzer Block“ rechnen damit, dass schon in den kommenden Tagen zahlreiche Gesuchte identifiziert sind.

In ganz Deutschland und im Ausland wird nach Verdächtigen gesucht, gegen die wegen versuchter und voll­endeter schwerer Körperverletzung, schweren Landfriedensbruchs oder schwerer Brandstiftung ermittelt wird. Die wenigsten der Randalierer werden in Hamburg oder dem Umland vermutet. Das deckt sich auch mit den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes. Demnach haben eigens angereiste Krawallmacher wesentlich für die schrecklichen Bilder beim G-20-Gipfel gesorgt. „Nach jetzigem Stand haben auslän­dische Personen einen großen Anteil gehabt“, sagte Torsten Voß, Chef des Hamburgischen Verfassungsschutzes, dem Abendblatt. In der Schanze, vor allem bei den Plünderungen, ließen sich dann offenbar auch viele Sympathisanten oder Zuschauer mitreißen.

So war es selbst für den Verfassungsschutz überraschend, dass viele Schaulustige offenbar selbst zu Tätern geworden sind. „In der gefährlichen Dynamik wurde die Hemmschwelle zur Gewalt bei vielen in einem Umfang überschritten, wie wir es bislang nur sehr selten erlebt haben. Sowohl während als auch nach den Krawallen hätte ich mir eine stärkere Distanzierung gewünscht – von den Umstehenden und der Szene insgesamt“, sagte Voß.

Für die jetzt eingeleitete Öffentlichkeitsfahndung war Datenmaterial im Umfang von rund 13 Terabyte ausgewertet worden. Die Fahndung ist umstritten, von den Linken in der Bürgerschaft kommt harsche Kritik. Linksextreme Gruppen reagierten mit der Veröffentlichung von Fotos von 54 Berliner Polizisten, die an Räumungen von Häusern beteiligt gewesen sein sollen. Dazu schrieben sie: „Wir freuen uns über Hinweise, wo sie wohnen oder privat anzutreffen sind.“

Die Polizei kündigte dagegen bereits weitere Aktionen an. Die Veröffentlichung der 104 Fotos zeigte am Montag unmittelbare Wirkung: Bis 18 Uhr gingen bereits 25 Hinweise auf die Gesuchten ein – ein mutmaßlicher Plünderer stellte sich den Beamten.