Berlin.

Hautcreme für 150 Euro, eine nutzlose Matratzenauflage mit angeblicher medizinischer Heilwirkung für mehrere Hundert Euro: Der Handel mit extrem überteuertem Ramsch ist für die Anbieter ein lukratives Geschäft. Bis zu fünf Millionen Deutsche gehen Jahr für Jahr auf Kaffeefahrten, sie werden geködert mit der Aussicht auf einen kostenlosen Tagesausflug. Der Umsatz der Nepper liegt Schätzungen zufolge bei 500 Millionen Euro im Jahr. Ihre Masche ist seit Jahren bekannt, trotzdem tun sich die Behörden schwer, die häufig betagten Opfer zu schützen. Nun will die Politik den Betrügern das Handwerk legen.

Mit höheren Bußgeldern und Verkaufsverboten will der Bundesrat die Abzocke erschweren. Vor allem geht es in der gestern beschlossenen Initiative um jene Waren, mit denen die Opfer besonders häufig über den Tisch gezogen werden: Finanzprodukte etwa, die oft komplex sind und eine sorgfältige Beratung erfordern. Oder Nahrungsergänzungsmittel, Pauschalreisen und Medizinprodukte, zu denen auch Heizdecken oder Rotlichtlampen gehören. „Die Verletzlichkeit der Teilnehmer wird mit aggressiven und irreführenden Verkaufsmethoden zu ihrem finanziellen Nachteil ausgenutzt“, heißt es in dem von Bayern erarbeiteten Gesetzentwurf.

Schon vor zwei Jahren hatte der Bundesrat einen Vorstoß unternommen, Kaffeefahrt-Unternehmern einen Riegel vorzuschieben. Doch der Bundestag hat sich bis heute nicht damit befasst, sodass der Entwurf mit dem Ende der Wahlperiode hinfällig wurde. Das soll nicht noch einmal passieren. „Kaffeefahrten sind eine Plage. Die Verkaufsverbote sind der richtige Weg“, sagt Michael Hummel, Rechtsexperte bei der Verbraucherzentrale Sachsen. Er hat undercover an solchen Busreisen teilgenommen und berichtet davon, wie Senioren gezielt unter Druck gesetzt werden.

Meist steuern die Busse entlegene Landgasthöfe in Regionen an, in denen es mitunter nicht mal ein Handynetz gibt. Wenn gedroht werde, Reisende nicht mehr mit zurückzunehmen, wirke das dort besonders einschüchternd. „Die Verkäufer gehen sehr geschickt vor, sie sind speziell geschult. Ich habe sehr subtile Drucksituationen erlebt. Da wurde den Teilnehmern ein schlechtes Gewissen gemacht – weil man ihnen einen schönen Tag bereitet habe, müssten sie auch etwas kaufen.“

Nach seiner Erfahrung lassen sich um die 50 Prozent der Mitfahrer tatsächlich überreden, etwas zu kaufen. Die Liste besonders dreister Fälle ist lang. Im vergangenen Jahr gaukelten Betrüger einer 83-jährigen Schweizerin bei einer Fahrt nach Rheinfelden in Baden-Württemberg vor, sie sei die Hauptgewinnerin eines Preisausschreibens. Um den Gewinn in Höhe von 440.000 Euro zu erhalten, sollte sie vorab mehr als 20.000 Euro Gewinnsteuer zahlen. Als die Dame das Geld abheben wollte, wurde zu ihrem Glück eine Bankmitarbeiterin misstrauisch. Ein anderer Betrüger bot bei mehreren Veranstaltungen vermeintliche Gratisreisen an, verlangte dafür aber eine Bearbeitungsgebühr von 49 Euro – und gab deutlich höhere Beträge in das EC-Lesegerät ein. Die meist betagten Opfer sollen so um insgesamt etwa 10.000 Euro geprellt worden sein. Er wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Behörden könntenhärter durchgreifen

Wie sinnvoll die höheren Bußgelder und Verkaufsverbote tatsächlich sein werden, ist umstritten. Michael Hummel sieht darin den „richtigen Weg“. Jedoch: „Vor allem müssten die Behörden bestehende Gesetze stärker anwenden. Schon jetzt haben Gewerbeämter die Möglichkeit, solche Veranstaltungen aufzulösen – in der Regel sind sie nicht angemeldet.“ Das passiere allerdings kaum. In der Gesetzesinitiative sieht Hummel ein Instrument, um gegenüber den Medien Handlungsfähigkeit zu zeigen.

Geschickte Verkäufer sollen mit Kaffeefahrten bis zu 50.000 Euro im Monat verdienen. Trotz vieler Warnungen finden sich immer noch genügend Menschen, die auf die Masche
hereinfallen. Trifft die Opfera also eine
Mitschuld? Hummel sagt: „Die Veranstalter zielen bewusst auf eine Altersgruppe ab, die einfach gutgläubig
ist.“