Alles brennt. Der Chili-Latte, der mit gut einem halben Teelöffel rötlichen Pulver in der Schaumkrone serviert wird, zieht einem die Schuhe aus. Selbst der Kellner muss bei der Bestellung leicht schmunzeln. Vielleicht wäre es klüger gewesen, bei der klassischen heißen Schokolade (3,60 Euro) zu bleiben. Die schmeckt mit ihren zart schmelzenden Schokoflocken wie ein Gruß aus Omas Küche. Früher war eben alles besser, oder? Eigentlich hätte man das wissen können, schließlich scheint dies die eindeutige Aussage des Cafés Mit freundlichen Grüßen im ersten Stock des Vodafone-Shops am Jungfernstieg zu sein.

Das kleine Café, das versteckt hinter Trennwänden des Ladens liegt, wirkt mit seinen türkisfarbenen Sofas und Sesseln, den Nierentischen und den Retro-Werbeschildern wie eine Hommage an „Mit Schirm, Charme und Melone“, die TV-Serie aus den 60er-Jahren. Im Eingang steht ein Wagen auf Rollen mit rot-weiß gestreifter Markise und einem knallgrünen Telefon. Wie ein Polaroidfoto mit Grüßen aus den 70ern. Kein Wunder, dass das Lokal auch als Eventfläche gemietet werden kann: In Kombination mit der Aussicht auf die Alster wird die Atmosphäre des Retrocafés einzigartig. Wahrscheinlich hat uns der tolle Ausblick durch die Schaufensterfront zur mutigen Bestellung beflügelt. Die Frau, die von der Kellogs-Metalldose auf der Theke strahlt, wirkt jedenfalls unbesiegbar mit ihren hochgekrempelten Ärmeln und der in die Luft gereckten Faust.

„Knusper-Uschis“ und Pancakes gibt es unter dem Titel „Wolke Sieben“

Zum Glück bietet das Langschläfer-Frühstück, das hier bis 17 Uhr serviert wird, noch viel mehr als den Chili-Latte (3,30 Euro): Frühstück auf dem Étagère, „Knusper-Uschis“ (Müslischüsseln, 5,50 Euro) und Pancake-Variationen (ab 4,50 Euro) unter dem Titel „Wolke Sieben“. Daneben ist ein Bild von Pancakes mit Ahornsirup, Bananenscheiben und blauer – ja blauer – Sahne. Die Sahne, die bei unserer Auswahl serviert wird, ist – zum Glück – nicht blau, aber frisch. Mit der nicht zu süßen Schokoladensoße und dem Obstsalat harmoniert sie sehr gut mit den fluffigen Minipfannkuchen. Mir bricht der Schweiß aus, ob vom Chilipulver oder vom einsetzenden Verdauungsprozess des gehaltvollen Essens bleibt fraglich: Das „Moin Moin“-Krabben-Frühstück (11,50 Euro) macht mit seinem riesigen Rührei-Berg jeden hungrigen Seebären satt. Obendrauf thront ein Schlag kleiner Nordseekrabben, dazu eine kleine Obst-und-Gemüse-Begleitung und ein frisches Roggenbrötchen. Eine sehr leckere Kombination.

Kleinigkeiten wären sicher zu verbessern, etwa die Butter, die zwar von Kerrygold, aber in einer lästigen Plastikverpackung à la „Bed&Breakfast“ kommt. Liebe Gastronomen: Außer im Flugzeug braucht kein Mensch diese Plastikschälchen – schon gar nicht bei einem ansonsten so guten Frühstück. Somit sind wir vielleicht nicht auf Wolke sieben, aber immerhin im ersten Stock am Jungfernstieg. Für den fabelhaften Ausblick, die Atmosphäre und den, für die Lage, gemäßigten Preis sind Qualität und Geschmack des Frühstücks absolut in Ordnung.

Hinter der Glasfront lassen sich auch trübe Regennachmittage überstehen

Langsam wird klar, warum es sich hier um ein Frühstück für Langschläfer handelt: Geschützt von der Glasfront in einen der plüschigen Sessel gekuschelt, eine – chilifreie – heiße Schokolade in der Hand, lassen sich hier sicherlich auch die einen oder anderen trüben Regennachmittage überstehen. Von denen es in Hamburg genug gibt. Die Pancakes schmecken jedenfalls nicht nur am frühen Morgen – ganz zu schweigen von den selbst gebackenen Kuchen, die in der Vi­trine stehen. Auch uns begleitet das Frühstück länger als gedacht: Irgendwie habe ich den ganzen Rest des Tages das Gefühl, meine Wangen seien ein bisschen röter als sonst. Mit freundlichen Grüßen, dein Chili-Macchiato!

Mit freundlichen Grüßen Jungfernstieg 14
(U/S Jungfernstieg), Mo–Sa 10.00–20.00,
T. 38 63 34 80