Wer hätte das gedacht? Die Walt Disney Company, einer der größten Medienkonzerne der Welt, die nicht gerade für kon­troverse Inhalte bekannt sind, hat wahrscheinlich den wirkungsvollsten politischen Film des Jahres zu verantworten. Ausgerechnet am Ende des ersten Jahres der Präsidentschaft von Donald Trump, der Mexikaner gern als Vergewaltiger oder Drogendealer verunglimpft und den südlichen Nachbarn der USA am liebsten hinter einer großen Mauer verschwinden lassen möchte, bringt Disneys Animationsstudio Pixar einen Familienfilm heraus, der nicht nur einen kleinen mexikanischen Jungen zum Helden erhebt, sondern so gut wie komplett in Mexiko spielt und einen der wichtigsten mexikanischen Feiertage zum Thema hat.

„Coco – Lebendiger als das Leben“ beginnt etwa 100 Jahre vor unserer Zeit, als einem aufstrebenden mexikanischen Musiker und seiner Frau eine Tochter geboren wird, die sie Coco nannten. Allerdings hielt es den jungen Vater nur wenige Jahre bei seiner Familie. Er zog in die Welt hinaus, um seine Karriere voranzutreiben, und kam nie wieder zurück. Cocos Mutter verwandelte ihr gebrochenes Herz in wütende Energie, baut eine florierende Schusterei auf.

Während Coco mittlerweile als hoch betagte Greisin in verblassenden Erinnerungen an ihren Vater schwelgt, droht ihr Urenkel Miguel mit der Familientradition zu brechen. Der Zwölfjährige eifert seinem großen Idol Ernesto de la Cruz nach, einer Art mexikanischem Elvis. Miguel lernt auf seiner Gitarre de la Cruz’ große Hits auswendig, um sie auf einem Talentwettbewerb vorzutragen. Unglücklicherweise würde er aber damit gegen die Tradition seiner Familie verstoßen, in der seit Ururomas Zeiten jede Art von Musik strengstens verboten ist.

Doch wie es das Schicksal so will, steht der Día de los Muertos bevor, jenes farbenprächtige mexikanische Volksfest, an dem die Toten für wenige Stunden ins Diesseits zurückkehren. Gewissermaßen im Austausch gerät Miguel unversehens ins Jenseits, um seine Ururoma zu suchen und von ihr höchstpersönlich die Erlaubnis zu erbitten, das musikalische Erbe seines Ururopas antreten zu dürfen.

Wie es sich gehört, gerät Miguel dabei auf die Spur eines düsteren Familien­geheimnisses, vor allem aber in jede Menge vergnügliche Abenteuer, die althergebrachte Vorstellungen von Ahnen- und Popstarkult munter auf den Kopf stellen. Lee Unkrich, der sein Talent als Regisseur bereits bei „Toy Story 3“ unter Beweis gestellt hatte, gelingt hier eine ungewöhn­liche Melange aus Familienmelodram, augenzwinkernden Horrorfilm-Elementen und kindgerechtem Fantasy-Abenteuer. Held Miguel meistert den Balanceakt zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten mit traumwandlerischer Sicherheit. Und ganz nebenbei weckt der Film ein großes Interesse für die mexikanische Kultur. Wohl nicht gerade bei Donald Trump, aber nicht zuletzt bei Millionen seiner Wähler, die bereits seit voriger Woche die US-Kinos stürmen.

Coco “ USA 2017, 100 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Lee Unkrich und Adrian Molina, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Savoy (OF), UCI Mundsburg/ Othmarschen-Park/Wandsbek