Die Politiker in Berlin haben derzeit viel am Hals. Unter anderem 400 Jahre Geschichte

Wenn Männer sich einen Strick um den Hals legen, kann das der Beginn einer bedrohlichen Situation sein. Wie ernst es mitten im aktuellen politischen Patt um unser Gemeinwesen steht, konnte man in dieser Woche genau daran erkennen.

Als Cem Özdemir, einer der grünen Verhandlungsführer bei den Jamaika-Sondierungen, im Büro des Bundespräsidenten saß, hatte er – sich eine Krawatte umgebunden. Einen Schlips. Dieses Relikt der alten Bundesrepublik. Ein Outfit, das so gut wie tot ist, seit Daimler-Boss Zetsche den Geschäftsbericht seiner AG „oben ohne“ präsentierte und die altehrwürdige Haspa als eines der ersten Geldinstitute in Deutschland nicht mehr auf dieses Bekleidungsutensil setzt. Denn in Kontors und Büros geht es locker, lässig und entspannt zu. Neudeutsch heißt das „Casual Chic“. Das Hemd offen, dazu klassische Jeans, gern kombiniert mit dunkelblauem Sakko. Aber ohne Schlips am Kragen.

Lange vorbei die Zeiten, als Männer mit Hut und Krawatte sogar die Fanränge im HSV-Stadion füllten. Erst verabschiedete sich der Hut und mit ihm die nette Geste, ihn zu ziehen, mindestens aber an die Krempe zu tippen, wenn man einen Bekannten auf der Straße sah. Respekt! Nur Frauen durften den Deckel aufbehalten. Sie hätten ihre Frisur ruiniert.

Jetzt siecht die Krawatte dahin, und das nach 400 Jahren Modegeschichte. Die bunten Halstücher kroatischer Krieger im Dreißigjährigen Krieg gefielen den Franzosen einst so gut, dass sie „cravat“ (abgeleitet von „Croat“) mit in die ­Grande Nation nahmen. Im Barock kam sie dann groß in Mode.

Aber vielleicht hat die Krawatte doch noch eine kleine Chance. So wie manche tot geglaubte politische Kombination in Berlin.