Der Experimentalfilm „Manifesto“ bietet trotz der Oscar-Preisträgerin in zwölf Rollen kaum Aufschluss über moderne Kunst
„Manifesto“ war vor zwei Jahren eine der Ausstellungen Berlins. Auf zwölf Bildschirmen ließ Videokünstler Julian Rosefeldt im Hamburger Bahnhof den Filmstar Cate Blanchett in unterschiedliche Rollen schlüpfen, von der Hausfrau über eine Nachrichtensprecherin bis zum Obdachlosen, und dabei bekannte Manifeste aus der Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts referieren. Die Stimmen und Texte überlagerten sich.
Nun kommt eine, ebenfalls von Rosefeldt verantwortet, Kinofassung auf die Leinwand, die diese Mehrstimmigkeit entzerrt und in eine lineare Struktur führt. Damit ist zwar ein konzentrierteres Betrachten und Hören als im musealen Kontext möglich, was Fans der Wandlungsfähigkeit der zweifachen Oscar-Preisträgerin erfreuen wird, dem Projekt aber auch einen Teil des Reizes nimmt.
Die Texte stammen von Claes Oldenburg, dessen Pop-Art-Manifest wie ein Gebet vorgetragen wird, von Marx und Engels sowie Dogma 95, Lars von Triers und Thomas Vinterbergs Filmmanifest, das nicht ganz ernst gemeint war. Gegenwartskunst ist ein Fake, eine einzige große Fälschung. Diese These steht am Anfang von „Manifesto“. Und sie trifft damit einen Vorwurf wie im derzeit zu sehenden „The Square“, der in Cannes die Goldene Palme gewann. Dieser Vorwurf ist: Moderne Kunst tut nur so, als ob sie sich um gesellschaftliche Themen kümmert, und bedient in Wahrheit nur den Kunstmarkt, der auf solche pseudoreflexartig giert.
Hat Konzeptkunst noch eine Zukunft?, fragt die Nachrichtensprecherin Cate die Reporterin Cate in einer Liveschaltung. Die Realität dahinter ist freilich komplexer und widersprüchlicher, und die Tatsache, dass ein Hollywoodstar wie Cate Blanchett sich für ein solches Projekt zur Verfügung stellt, macht die Sache noch komplizierter.
Welche Bedeutung hat Kunst im Leben der Menschen heute? Rosefeldt stellt das als vielstimmige Frage in den Raum, die Antwort überlässt er den Zuschauern. Und er haucht den Texten neues Leben ein, indem er sie von Charakteren in Lebenssituationen vortragen lässt, die scheinbar nicht zueinanderpassen und genau durch diese Reibung an Relevanz gewinnen – wie die Dada-Grabesrede auf dem Stahnsdorfer Friedhof.
All das erreichte auch schon die Installation im Hamburger Bahnhof – und überzeugender. Nur am Ende des Films kreiert Rosefeldt diese Gleichzeitigkeit seiner ursprünglichen Arbeit, indem er in einem Splitscreen alle zwölf Figuren parallel zu Wort kommen lässt.
„Manfifesto“ D 2017, 95 Min., o. A., R: Julian Rosefeldt, D: Cate Blanchett, tägl. im Abaton (OmU)
abel