In diesem Monat ziert ihr Porträt das Cover des Fachmagazins „Jazzthetik“. ­Johanna Borchert wird zum Genre Jazz ­gezählt – aber ist das eigentlich Jazz, was die rothaarige Musikerin spielt? Ihr Stil hat sich inzwischen in Richtung einer avantgardistischen Popmusik entwickelt, die gänzlich ohne Swing-Beat und Improvisation auskommt.

Mit den Größen des Bop, den viele Jazz-Studenten aus dem Effeff beherrschen, konnte sie ohnehin nie viel anfangen. Schon an der Berliner Universität der Künste, wo sie Jazz studierte, gehörte sie zu den Querköpfen. Schließlich war ihr Klavierspiel mehr von Neuer Musik ­geprägt als von der afroamerikanischen Herkunft des Jazz.

Vor drei Jahren begann die Pianistin auf ihrem Album „FM Biography“ auch noch zu singen – und erhielt ein Jahr später für ihren nicht gerade klassischen Gesang den ECHO Jazz als beste Sängerin. Johanna Borchert ist mit dieser Platte von einer Jazz-Pianistin zu einer Sängerin und Songschreiberin geworden.

Auf dem aktuellen Album „Love Or Emptiness“ setzt sie die eingeschlagene Richtung fort. Johanna Borchert haucht und flüstert in den neuen Songs, sie singt dramatisch und lasziv, die Songs changieren zwischen groovendem Trip-Hop, frickeliger Elektronik und opulenten Pop. Jazz kommt darin nur noch als Spurenelement vor. Die Bandbreite der neuen Stücke ist so groß, dass Johanna Borchert stilistisch nur noch schwer zu verorten ist – was jedoch eine große Qualität der Künstlerin aus Berlin ist.

Angesichts der hohen Qualität ihrer Songs verliert auch die Frage „Jazz – ja oder nein?“ an Bedeutung. Borchert ist zu einer außergewöhnlichen Künstlerin herangereift, die sich mit Kolleginnen wie Laurie Anderson, Björk und PJ Harvey messen kann. Musikalische Grenzen sind aufgelöst, der Zuhörer kann sich in einem Zauberwald aus Klängen einfinden und sich von dieser grandiosen Musikerin ­betören lassen.

Johanna Borchert 19.12., 20.00, Stage Club. Karten zu 17,- unter T. 0651/979 07 77