Berlin.

Die Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Gesundheitsbranche zunehmend. Schnellere Diagnosen, personalisierte Therapien – das Berufsbild des Arztes wandelt sich. Und der Patient erhält ebenfalls neue Möglichkeiten, um seine Gesundheit selbst zu überwachen. Auf der weltgrößten Medizinmesse Medica, die am heutigen Montag in Düsseldorf beginnt (www.medica.de), stehen KI und die digitale Vernetzung in allen Gesundheitsbereichen im Mittelpunkt. Mehr als 5100 Aussteller aus 66 Nationen präsentieren ihre Produkte. Eine Auswahl:

Mit der Datenbrille am OP-Tisch

Bösartige Tumore bilden häufig Tochtergeschwulste, sogenannte Metastasen, die sich über das Lymphknotensystem im Körper verbreiten können. Dabei spielen sogenannte Schildwächter-lymphknoten eine Rolle: Sind diese mit Metastasen befallen, haben sich wahrscheinlich bereits weitere dieser Krebszellen gebildet. Um die Lymphknoten zu untersuchen, müssen sie zunächst entfernt werden – ein bislang kompliziertes Unterfangen. Denn die exakte Lage des Knotens auszumachen ist schwierig. Auch zu erkennen, ob der Lymphknoten vollständig entfernt wurde, ist problematisch.

Eine Neuentwicklung soll den Eingriff revolutionieren: das Operationssystem 3D-Arile. Es ist ein sogenanntes Augmented-Reality-System (ARS), das die exakte Position eines Lymphknotens über eine Datenbrille virtuell einblendet – ein Navigationssystem für die Entfernung der Knoten. „Das System gibt Ärzten die Möglichkeit, direkt durch die Brille auf die zu operierende Stelle zu blicken und nicht wie bisher auf einen Monitor“, sagt Stefan Wesarg vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung, das an der Entwicklung beteiligt war.

Ausgestattet ist die Brille mit Nahinfrarotkameras (NIR). „Um den betroffenen Lymphknoten sichtbar zu machen, wird dem Patienten ein Fluoreszenzfarbstoff in die direkte Umgebung des Tumors gespritzt, der sich über die Lymphbahnen verteilt und im Wächterlymphknoten sammelt“, erklärt Wesarg. Die Lymphknoten leuchten dann durch die Haut, die NIR-Kameras erfassen die Fluoreszenz und rekonstruieren die Knoten in 3-D, „die Position wird dem Arzt dann in der Datenbrille angezeigt“, sagt Wesarg. So könne er auch erkennen, ob er alles Nötige herausgeschnitten hat.

Erste Tests hat das Operationssystem am Uniklinikum Essen bereits durchlaufen, im nächsten Jahr soll das Produkt auf den Markt kommen.

Handschuh mit Vorhersagekraft

Wie viele Erfindungen geht auch diese auf eine persönliche Geschichte zurück: Die Inderin Rajlakshmi Borthakur ist Mutter eines Sohnes, der seit seiner Geburt unter epileptischen Anfällen leidet. Die Anfälle kommen für die Betroffenen sehr plötzlich, im schlimmsten Fall verlieren sie das Bewusstsein, stürzen, der ganze Körper verkrampft.

Um ihren Sohn und andere Betroffene diesen Situationen nicht schutzlos auszuliefern, hat Rajlakshmi Borthakur Terra Blue XT gegründet. Das Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen das Leben mit chronischen Erkrankungen zu erleichtern, Rajlakshmi Borthakur wurde für ihre Arbeit unter anderem von den Vereinten Nationen (UN) ausgezeichnet. Die neueste Entwicklung des Unternehmens wird nun auf der diesjährigen Medica präsentiert: der Handschuh TJay.

Mithilfe von Sensoren kann er zur Diagnose von Epilepsie eingesetzt werden und Anfälle voraussagen. Die Sensoren messen kontinuierlich Signale aus der Handfläche, etwa Atmung, Hautleitfähigkeit, Temperatur und Sauerstoffsättigung. Durch Auswertung der Daten, die in einer Cloud einlaufen, lassen sich für bestimmte Epilepsietypen Anfälle voraussagen. Außerdem können Ärzte für ihre Diagnose der Krankheit auf relevante Daten zurückgreifen. Das ist besonders interessant für Menschen, die keinen oder nur schlechten Zugang zu Spezialisten wie Neurologen haben. Im Juni 2018 soll TJay auf den Markt kommen.

Mehr als nur
ein Pflaster

Ein Pflaster, das nicht nur die Wunde vor dem Eindringen von Schmutz schützt, sondern auch Rückmeldung zum Zustand der Verletzung gibt: Im Bereich der sogenannten Wearables, also tragbaren Technologien, sind smarte Pflaster eines der wichtigsten Themen auf dem Gesundheitsmarkt. So hat das Massachusetts Institute of Technology ein Wundpflaster entwickelt, das Medikamente direkt in die Wunde abgeben kann. Ein anderes Pflaster mit Namen Fever Smart misst, unter die Achseln geklebt, regelmäßig Fieber. Nun ist ein weiterer Anbieter eines Smart Patches hinzugekommen. Auf der Medica präsentiert das Start-up TracPatch sein gleichnamiges Produkt. Das Pflaster überwacht den Wundheilungsprozess mithilfe von Temperaturmessung. Unregelmäßigkeiten bei der Heilung erfahren Patient oder Arzt dann über eine App.

Mobile Altersbestimmung

Die Opfer von Menschenhandel sind häufig minderjährig. Doch wie lässt sich das im Routineablauf einer Grenzkontrolle herausfinden, wenn Pässe gefälscht sind und es für eine Altersbestimmung eines richterlichen Beschlusses bedarf? Dieser Herausforderung hat sich das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) im Rahmen des multidisziplinären Forschungsprojekts „Prisma“ gewidmet. Herausgekommen ist ein mobiler Ultraschall-Handscanner, der mit dem Smartphone verbunden werden kann. Bislang muss für eine Altersbestimmung der Handwurzelknochen geröntgt werden.

Holger Hewener vom Fraunhofer IBMT, der an der Entwicklung beteiligt war, vergleicht die Funktionsweise mit der eines Alkoholtesters bei Verkehrskontrollen. „Die Messmethode ist zwar zunächst gerichtlich nicht verwertbar, kann jedoch einen ersten Verdachtsfall bestätigen“, sagt Hewener. Das System analysiert die für die Bestimmung der Volljährigkeit relevanten Knochenmerkmale. Dafür überträgt ein kompaktes Ultraschallmesssystem die Messdaten über eine Funkschnittstelle auf ein mobiles Endgerät. Das Ergebnis erscheint direkt auf dem Bildschirm in Form einer Farbampel, die anzeigt, ob sich der Verdacht erhärtet oder nicht. Das System wird derzeit im Rahmen einer klinischen Studie durch die Universität des Saarlandes getestet.