Berlin/Bamberg.

Er soll eine Mitarbeiterin am Arbeitsplatz zu sexuellen Handlungen gezwungen haben: Ein früherer Chefarzt des Klinikums Bamberg steht seit Mittwoch wegen Vergewaltigung vor Gericht. Dem 46-Jährigen wird vorgeworfen, die Frau in einer Ambulanz in Neustadt an der Aisch unter einem Vorwand in die Küche gelockt und sie gezwungen haben, an ihm Oralsex vorzunehmen, wie die Staatsanwaltschaft zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Bamberg erläuterte.

Die Familie des Angeklagten ging an die Öffentlichkeit

Auf den ersten Blick erinnert der Fall an einen anderen aus Bamberg: Schon einmal war dort ein Chefarzt wegen Vergewaltigung angeklagt worden. Im Oktober 2016 wurde ein damals 51-Jähriger zu fast acht Jahren Haft verurteilt, weil er zwölf Frauen, darunter Patientinnen, betäubt und dann vergewaltigt hatte. Nicht zuletzt wegen dieses Falls richtet sich viel Aufmerksamkeit auf den aktuellen Prozess. Er ist aber auch juristisch besonders interessant, weil der Arzt nach dem gerade verschärften Sexualstrafrecht angeklagt wurde. Demnach macht sich nicht nur strafbar, wer Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwingt. Es reicht aus, wenn sich der Täter über den „erkennbaren Willen“ des Opfers hinwegsetzt.

Jörg C. soll sexuelle Verhältnisse mit mehreren Mitarbeiterinnen parallel gehabt haben. In einer Pressekonferenz im Regionalfernsehen hatte der Bruder des Arztes im Februar diese Affären damit erklärt, dass Jörg C. unter großem beruflichen Druck gestanden habe. Das Mittel der Wahl zum Stressabbau nannte der Bruder „äußerst inakzeptabel“. Auch mit der Frau, die ihm vorwirft, er habe sie zum Oralsex gezwungen, hat der Arzt laut Staatsanwalt zuvor einvernehmlich Sex gehabt.

Der frühere Chefarzt betonte am Mittwoch in einer Erklärung, die sein Anwalt verlas, dass auch die sexuelle Begegnung in der Ambulanz-Küche im Dezember 2016 einvernehmlich gewesen sei. Die damalige Mitarbeiterin hatte ausgesagt, sie habe ihm zu verstehen gegeben, dass sie den Oralsex nicht ausführen wolle. Anzeige erstattete sie nicht, auch andere Kolleginnen nicht. Sie sollen sich aber bei der Klinikleitung über den Arzt beschwert haben.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte, nachdem Medienberichte über einen „erneuten Sexskandal“ am Klinikum Bamberg erschienen waren. Die jetzige Anklage sei ein Komplott von Mitarbeiterinnen, mit denen er sexuellen Kontakt gehabt habe, hieß es am Mittwoch in der Erklärung des Angeklagten.

Sein Bruder hatte der Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe gemacht – etwa den, dass sie der Presse gegenüber „den großen Fall suggeriert“ habe. Den Medien warf er „einseitige Berichterstattung“ vor. Der Familie zufolge unternahm der Arzt einen Suizidversuch, nachdem er die erste Radiomeldung über die Vorwürfe gegen ihn gehört hatte.