George Clooneys Gesellschaftssatire „Suburbicon“ verzettelt sich mit zwei halben Filmen, die nie zu einem ganzen werden

Welch schönes Bild: Eine schwarze Familie zieht in einen Vorort, in dem sonst nur Weiße wohnen. Und ein weißer Junge geht zu den neuen Nachbarn, begrüßt deren Sohn und spielt mit ihm Baseball auf der Straße. So einfach, so spielerisch könnte die Überwindung von Rassenhass aussehen. Ist es aber nicht. „Suburbicon“, der sechste Regiefilm von George Clooney, erzählt eine wahre, hässliche Geschichte aus den USA der 50er-Jahre. Die zugleich grelle Parallelen auf die derzeitige Lage der Nation unter Donald Trump und den jüngsten Ausschreitungen in Charlottesville erlaubt. Trump hat den Film sogar inspiriert, wie Clooney bei der Uraufführung auf den Filmfestspielen von Venedig zugab. Die Idee dazu sei ihm gekommen, als Trump in einer Wahlkampfrede „über den Bau von Mauern und die Minderheiten“ gesprochen habe. Sein Land sei in einem wütenden Zustand, so Clooney, deshalb sei „Suburbicon“ ein wütender Film. Der zwar nicht von Trump handelt, aber doch von einem Amerika, das sich nie ganz mit seinen rassistischen Vorurteilen auseinandergesetzt hat.

„Suburbicon“ beginnt mit einem fingierten Werbefilm im Stil der 50er-Jahre, mit bonbonfarbenen Bildern und heiter-ironischem Ton: „Kehren Sie heim nach Suburbicon.“ Zu sehen sind adrette Vorgärten, reinliche Häuschen, zufriedene Menschen. Amerikanisches Vorstadtidyll in Reinkultur. Die jäh getrübt wird, als der Postbote bei den neuen Nachbarn klingelt und eine schwarze Frau die Tür öffnet. Ob denn die Hausherrin da sei, fragt er. Die Anwesenheit von Afroamerikanern scheint hier höchstens in Form von Domestiken denkbar. Die Frau gibt sich aber als Hausherrin aus. Sofort gefriert nicht nur das Lächeln des Postboten, sondern die ganze Nachbarschaft. Noch am selben Abend bildet sich eine Mahnwache vor dem Haus. Bald singen die Nachbarn hier Bibellieder, schlagen nachts Krach, ziehen hohe Zäune um das Haus. Immer mehr rotten sich Abend für Abend vor dem Haus der Schwarzen zusammen, immer aggressiver heizt sich die Stimmung auf. Schließlich werden Konföderiertenfahnen in die Fenster gehängt, Ku-Klux-Klan-Kreuze im Garten entzündet, und dann fliegen die ersten Steine.

Der Hintergrund von „Suburbicon“ beruht auf wahren Begebenheiten

Ein übertriebenes Zerrbild? Den Fall hat es wirklich gegeben, 1957, zu einer Zeit, als schon mal ein Präsident salbaderte, Amerika müsse wieder groß werden. Und nicht etwa in den Südstaaten, wo so etwas fast schon ein Klischee wäre, sondern im scheinbar liberalen Pennsylvania. Im Örtchen Levittown, benannt nach dem Immobilienentwickler William Levitt, der als Erfinder der Vororte gilt, die er überall in den Staaten anlegen ließ. Die amerikanische Idylle war allerdings nur für die weiße Mehrheit gedacht. Als die Afroamerikaner Daisy und William Myers hierherzogen, um auch ihren amerikanischen Traum zu verwirklichen, mussten sie das erleiden, was „Suburbicon“ zeigt.

Ein Film zur Stunde also? Ja und nein. Alle lieben George Clooney. Und doch muss man sich irgendwann eingestehen, dass der Schauspieler auf dem Regiestuhl nicht immer der Richtige ist. Das zeigte sich schon bei „Monuments Men“, wo es um NS-Raubkunst und die Vertreibung von Juden ging, Clooneys gutmütig-humoristischer Ton aber einfach nicht der richtige war. Noch eklatanter zeigt sich das nun in „Suburbicon“. Weil Clooney noch eine zweite Geschichte erzählt, die die eigentliche immer mehr in den Hintergrund drängt. Der Regisseur hat sich dabei ein altes Drehbuch der Coen-Brüder vorgenommen, die diese schon 1986, gleich nach ihrem Erstling „Blood Simple“ geschrieben, aber nie realisiert haben.

Im Haus neben den Myers (Karimah Westbrook und Leith M. Burke) – die im Film Meyers heißen – wird die Familie von Gardner Lodge (Matt Damon) überfallen und seine im Rollstuhl sitzende Frau getötet. Ein Schock für den kleinen Sohn Nicky (Noah Lupe) – eben jener, der anfangs mit dem schwarzen Nachbarjungen Baseball spielte. Doch noch größer ist der Schock, als die Zwillingsschwester der Toten (Julianne Moore in einer Doppelrolle) bei Lodge einzieht und dieser an der Aufklärung des Mordes gar nicht interessiert scheint. Der kleine Nicky muss erkennen, dass das Ganze ein abgekartetes Spiel ist und sein Papa offensichtlich einen Lebensversicherungsbetrug begeht. Bei dem allerdings alles schiefgeht, weil ihn bald nicht nur ein Versicherungsbeamter (Oscar Issac) ins Visier nimmt, sondern auch die von ihm gedungenen Totschläger ihn bedrohen.

Matt Damon spielt mit großer Lust diesen abgründigen Familienvater, der einen Fehler nach dem anderen begeht, aber dabei vor keiner Gewalttätigkeit zurückschreckt. Aber dieser Gardner Lodge ist einer jener tragisch-tumben Einfaltspinsel, wie man sie schon so oft gesehen hat im Œuvre der Coen-Brüder. Clooney stand wiederholt für die Coens vor der Kamera, in „O Brother, Where Art Thou?“ etwa oder „Hail, Caesar“. Clooney kann ­Coen, das scheint er hier beweisen zu wollen, kommt dabei aber über das reine Zitieren der Zutaten kaum hinaus. Seine Figuren bleiben eindimensional, werden nie zu echtem Leben erweckt. Und dann gibt es nicht eine einzige Sympathiefigur.

Der Humor ist eher taubengrau denn rabenschwarz

Die weiße Mehrheit dreht durch wegen unbescholtener Schwarzer in ihren Reihen, während sie blind ist für das ­Verbrechen unter ihresgleichen: Das sollte die Doppelmoral der Geschichte kraftvoll unterstreichen. Aber das Grundproblem von Clooneys Film ist, dass diese beiden Geschichten, obwohl sie Haus an Haus passieren, nie wirklich ineinandergreifen. Wütend sollte sein Film sein. Doch davon ist wenig zu spüren. Die Unentschiedenheit der Regie zeigt sich überall: Clooney macht sich nie die Mühe, in das Haus der Meyers zu schauen, wie sie den Terror vor ihrer Haustür überhaupt aushalten. Stattdessen scheint er die sich in immer absurdere Wendungen schraubende Geschichte der mordlüsternen Dodges selbst interessanter zu finden. Der Humor ist eher taubengrau denn rabenschwarz, der Film eher eine Posse als eine grelle Satire. Und am Ende bleiben zwei halbe Filme, die nie zu einem ganzen werden. Clooney wollte die Spaltung der Gesellschaft anprangern. Und hat doch selbst einen sehr zwiespältigen Film hinterlassen.

„Suburbicon“ USA 2017, 105 Min., ab 16 Jahren, R: George Clooney, D: M. Damon, J. Moore, täglich im Abaton (OmU), Blankeneser, Studio (OmU), UCI Mundsburg, Zeise; www.suburbicon-film.de