Mediator Burkhard Zaubel fordert mehr außergerichtliche Verfahren. Das würde auch Richter deutlich entlasten

Burkhard Zaubel, Wirtschaftsmediator und Vorstand beim Hamburger Institut für Mediation (HIM), wünscht sich von Anwälten, Richtern, Justizbehörden und Ministerien mehr Unterstützung, damit Konflikte künftig verstärkt außerhalb von Gerichten gelöst werden. Seine Forderung ist klar: „Mediationen sind ein Erfolgsmodell, bei dem alle profitieren. Es wird Zeit, dieses Potenzial voll auszuschöpfen.“

Hamburger Abendblatt: Herr Zaubel,
warum sind Sie Mediator geworden?

Burkhard Zaubel: Ich bin ursprünglich gelernter Bankkaufmann und Jurist und war viele Jahre als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Insolvenzrecht tätig. Mich hat zunehmend gestört, dass viele Streitigkeiten gerichtlich geklärt werden, aber oftmals letztendlich keiner wirklich glücklich mit dem Ergebnis ist und sich die Parteien weiter feindlich gegenüberstehen. Das liegt daran, dass in Gerichtsverfahren nur die Spitze eines Eisbergs sichtbar wird und überwiegend nur finanzielle Aspekte entschieden werden. Die eigentliche Motivationslage der streitenden Parteien bleibt meistens im Verborgenen. Im Gegensatz dazu gelingt es in Mediationsverfahren sehr viel häufiger, die Wurzel des Übels freizulegen und festgefahrene Situationen aufzulösen. Als Mediator bin ich Teil der Problemlösung. Ich empfinde das als sehr befriedigend. Und um Ihre Frage zu beantworten: Es ist mehr Berufung als Beruf.

Welche Eigenschaften muss denn ein Mediator mitbringen?

Sie müssen strukturiert arbeiten, klare Verfahrensregeln aufstellen und sie auch durchsetzen können. Zum Rüstzeug gehören natürlich Gesprächstechniken, um die beteiligten Parteien zu öffnen. Dabei hilft es, die Sprache der Medianden zu sprechen und sich ein wenig in deren Metier auszukennen. Gleichzeitig muss für Unparteilichkeit eine gewisse Distanz gewahrt bleiben. Deshalb lehne ich zum Beispiel Familienangelegenheiten für mich persönlich ab – das geht mir zu nah. Das Wichtigste aber ist Vertraulichkeit und Empathie. Das Interesse an den Menschen und deren Problemen ist Voraussetzung, um das Vertrauen der streitenden Parteien zu gewinnen und ihnen bei der Lösungsfindung zu helfen.

Gibt es ein wiederkehrendes Grundmuster bei den Streitfällen?

Egal ob Familienangelegenheiten, Probleme mit Nachbarn, Vorgesetzten, Kollegen oder zwischen Firmen: Streit entsteht häufig dort, wo Menschen lange und eng zusammen sind und zu wenig oder gar nicht mehr miteinander kommunizieren. Dahinter stecken oft Missverständnisse und persönliche Verletzungen, die gewollt oder ungewollt zugefügt werden. Ist der Karren erst einmal festgefahren, kommt man ohne Hilfe Dritter kaum noch frei.

Und dann kommen Mediatoren ins Spiel. Wie hoch ist denn die Erfolgsquote?

Rund 80 Prozent. Die Zahl basiert unter anderem auf den Erfahrungen unserer Mitglieder im Hamburger Institut für Mediation. Das sind immerhin etwa 100 Kolleginnen und Kollegen. Im Schnitt dauert ein erfolgreiches Mediationsverfahren 10 bis 15 Stunden und ist in der Regel deutlich kostengünstiger als eine gerichtliche Auseinandersetzung. Zudem hält eine von den Parteien erarbeitete Lösung natürlich besser als ein Diktat des Gerichts.

Vor einem Gerichtsverfahren sollte demnach immer erst eine Mediation stehen?

Schön wär’s. Aber das kann man generell so natürlich nicht sagen. Es gibt eine ganze Reihe von Sachlagen, die gerichtlich entschieden werden müssen. Außerdem geht es bei den streitenden Parteien nicht ohne die Bereitschaft zur Mediation, sonst ist das Verfahren aussichtslos. Tatsächlich aber hat das Bundesverfassungsgericht schon 2007 festgestellt, dass Problemlagen zunächst möglichst einvernehmlich gelöst werden sollten, bevor Gerichte entscheiden.

Seit fünf Jahren gibt es in Deutschland ein Mediationsgesetz. Haben sich die Erwartungen erfüllt?

Zunächst muss man vorwegschicken, dass das Gesetz auf einer bindenden EU-Richtlinie von 2008 basiert und erst mit vier Jahren Verspätung und nach großem Gerangel in Deutschland umgesetzt worden ist. Es gab erhebliche Widerstände seitens der Rechtsanwaltskammern, die offensichtlich Kompetenzbeschneidungen und finanzielle Einbußen befürchteten. Grundsätzlich ist das Gesetz gut, weil es Mediation als Instrument der Streitschlichtung in unserem Rechtssystem fest verankert. Das schafft bei den Bürgern Vertrauen. Allerdings hat das Gesetz nicht den gewünschten Schub gebracht. Trotz der Erfolgsquoten wird das Potenzial der Mediation nicht annähernd ausgeschöpft.

Woran liegt das?

Das hat vielfältige Gründe. So werden zum Beispiel Chancen bei der gerichtsnahen Mediation vertan. Im Zuge des Mediationsgesetzes wurde die Stelle des Güterichters neu geschaffen. Der erhält von dem streitigen Richter die Fälle und versucht unter anderem mit Mediationstechniken eine Lösung herbeizuführen. In der Praxis hat er dafür durchschnittlich vier Stunden Zeit. Das kann nicht funktionieren. Hier bietet es sich förmlich an, freie Mediatoren einzubinden, um Güterichter zu entlasten.

Wo könnte noch angesetzt werden?

Wir wünschen uns auch eine Änderung in der Zivilprozessordnung. Anwälte sollen mit ihren Mandanten die Möglichkeit alternativer Streitschlichtungsverfahren erörtern müssen, bevor es vor Gericht geht. Damit das auch wirklich passiert, halten wir es für wichtig, dass dazu in der Klageschrift etwas gesagt werden muss. Bislang ist dies nicht zwingend erforderlich. Außerdem sollten Justizbehörden und Ministerien die Bürger stärker über alternative Verfahren informieren. Dazu gehört auch, auf die Mediationsstelle hinzuweisen, die von der Handelskammer Hamburg, der Rechtsanwaltskammer und dem Hamburger Institut für Mediation gemeinsam betrieben wird.

In der Regel müssen Mediationen aus eigener Tasche bezahlt werden. Wie sinnvoll wäre eine Mediationskostenhilfe?

Der Evaluierungsbericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Mediationsgesetzes kommt zu dem Schluss, dass staatliche Unterstützung analog zur Prozesskostenhilfe keinen zusätzlichen Impuls für Mediationsverfahren bringen würde. Ich halte das angesichts der Erfolgsquoten und Kostenvorteile gegenüber Gerichtsverfahren nicht für schlüssig. Rechtsschutzversicherer haben das erkannt und setzen genau aus diesen Gründen auf Mediation.