Clown Paul Kustermann zeigt Pflegekräften, wie sie Konflikte besser entschärfen können

„Glauben Sie an Wunder?“, fragt Paul Kustermann gleich zu Beginn des Seminars „Humor in der Pflege“ in die Runde. Während die Teilnehmerinnen noch über ihr Verhältnis zum Unerklärlichen diskutieren, pustet der Coach bereits den ersten Luftballon auf und wirft ihn einer Frau zu. Bald fliegen drei Ballons zwischen den Teilnehmerinnen hin und her, oft grätscht eine in die Mitte des Stuhlkreises oder flitzt durch den Raum, um alle Ballons in der Luft zu halten. Alle lachen. Am Ende des Spiels ist aus neun Individuen ein fröhliches Team geworden. „Dass man Erwachsene in wenigen Sekunden in Kinder verwandeln kann, das halte ich für ein wahres Wunder“, meint Paul Kustermann lächelnd.

Seit einem Jahr besucht der Clown und Coach, der 1994 den Verein „Rote Nasen – Clowns im Krankenhaus“ mitgegründet hat, Altenpflegeeinrichtungen unter anderem von Kursana, um die Mitarbeiter für einen neuen Umgang mit Stress und Konflikten zu schulen. Beim Seminar in der Villa Reinbek sind neben Pflegekräften und Mitarbeiterinnen der sozialen Betreuung auch zwei ehrenamtliche Sterbebegleiterinnen des Ambulanten Hospizdienstes Reinbek zu Gast. „Ich wünsche mir, künftig herausfordernde Situationen mit unseren demenziell erkrankten Bewohnern entspannter meistern zu können“, bringt Marion Hesse von der sozialen Betreuung ein typisches Anliegen auf den Punkt. Der Schlüssel dazu liege in der Änderung der eigenen Haltung, erläutert Paul Kustermann. „Der Humor macht es möglich, einen Schritt zurückzutreten und Abstand zu gewinnen. Aus der Ruhe heraus können wir Situationen auf neue, spielerische Art begegnen.“ Voraussetzung dafür sei jedoch, in einem guten Kontakt zum Gegenüber zu sein.

Innerlich ruhig werden, statt sich provozieren zu lassen

In Partnerübungen wird auf die Probe gestellt, wie Nähe und Wertschätzung im Umgang gelingen: Die Teilnehmerinnen probieren schweigend aus, wie viel Nähe zu den anderen sich wirklich gut anfühlt. Wie ungewohnt und wohltuend ist es, sich dann gegenseitig ein Kompliment zu machen. Und wie viel angenehmer ist der Kontakt, wenn eine Berührung vorher angekündigt wird. Dann lädt Paul Kustermann die Teilnehmerinnen dazu ein, sich ein inneres Bild zu suchen, das Ruhe und Kraft spendet. „Man kann mich nicht mehr provozieren, wenn ich eine innere Samurai-Haltung einnehme und an etwas Beruhigendes wie eine Pusteblume denke“, sagt er.

Dann wird anhand konkreter Alltagssituationen besprochen, wie dieser Spielraum für neue Handlungsweisen genutzt werden kann. „Deuten Sie ein Schimpfwort, mit dem Sie ein psychisch Kranker bezeichnet, zum Kosenamen um und bedanken Sie sich dafür“, schlägt der Coach vor. Marion Hesse überlegt zusammen mit den anderen, wie sie angespannte Situationen künftig mit so einer scheinbar paradoxen, liebevoll provokativen Reaktion entschärfen könne: Warum nicht einmal einen Dementen mit Weglauf-Tendenz überholen und mit ausgebreiteten Armen zu einer Umarmung einladen? Und warum kann man nicht bei einem Altenheimbewohner, der seinen Wunsch zu sterben formuliert, nachfragen, wie man helfen könnte? Oft entstehe so im Gespräch eine Art Komplizenschaft, in der ein Betroffener Trost finden und sich sogar neu dem Leben zuwenden könne, berichtet Kustermann aus vielen Jahren Clowns-Arbeit in therapeutischen Einrichtungen. „In der Pflege übernehmen wir sowieso viele verschiedene Rollen“, sagt Pflegedienstleiterin Berrit Knoop. „Durch dieses Seminar fühle ich mich ermutigt, öfter einmal die Perspektive zu wechseln und neue Wege auszuprobieren.“