Berlin.

Was war das denn? Wie jeden Sonntag freuten sich gestern Abend Millionen Deutsche auf ihren Wochenausklang vor dem Fernseher. Doch was die ARD da als „Tatort“ präsentierte, dürfte auf viele Zuschauer einfach nur verstörend gewirkt haben. Der Frankfurt-Fall „Fürchte dich“ war ein filmisches Experiment. Der erste Horror-„Tatort“ in der langen Geschichte des Formats. Es ging um Geister und den lange zurückliegenden Tod eines Mädchens. Ein guter Film, aber ganz und gar kein klassischer Krimi. Die Zuschauer diskutierten schon am Sonntagabend darüber. „Was hat dieser Halloween-Schwachsinn noch mit Tatort zu tun?“, fragte eine Nutzerin auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. „Hört bitte endlich auf, nur noch experimentelle Tatorte zu senden“, schrieb ein anderer.

Es war längst nicht der erste „Tatort“, der die Konventionen des Genres infrage stellte. Nun hat offenbar auch die ARD-Chefetage genug von der gefühlten Inflation des bemüht Besonderen. Die Sendergemeinschaft will die Zahl der „Tatort“-Experimente künftig auf zwei Fälle pro Jahr begrenzen, sagte Film-Koordinator Jörg Schönenborn. Der 53-Jährige, im Hauptberuf WDR-Fernsehdirektor und Zuschauern vor allem als Experte für Hochrechnungen aus Wahlsendungen bekannt, reagierte mit seiner Stellungnahme auf einen Bericht der Fanseite „Tatort-Fundus.de“. Wer welchen experimentellen „Tatort“ produzieren dürfe, solle frühzeitig abgestimmt werden, „damit die Filme entsprechend geplant“ und „sinnvoll platziert“ werden könnten.

Sollen die „Tatorte“ bieder werden? Auch innerhalb der ARD sind Filmexperimente wie „Fürchte dich“ umstritten. Das Problem seien nicht jene Fälle, die außergewöhnliche Themen behandeln, heißt es. Vor wenigen Wochen etwa ermittelten die Münchener Kommissare Batic und Leitmayr in der Pornobranche. Der Film wurde kontrovers diskutiert, auf Twitter empörten sich Zuschauer über die „vulgäre Zumutung“. Man wolle auch künftig Filme, die besonders seien und überraschten, so Schönenborn. Was die ARD-Gremien wirklich stört, sind formale Grenzüberschreitungen. Wenn am Schluss kein Täter überführt wird wie letztes Jahr im München-Fall „Die Wahrheit“. Oder wenn es um Übersinnliches geht wie in „Fürchte dich“.

Es soll wiedermehr ermittelt werden

Auslöser des Machtworts war ein viel diskutierter Ludwigshafener Impro- und Dialekt-„Tatort“ mit dem Titel „Babbeldasch“. Schlechte Kritiken, schwache Quote: ARD-Programmchef Volker Herres warnte nach der Ausstrahlung im Frühjahr vor einem „Wettlauf der Redaktionen“, wer den „abgedrehtesten Film produziert“. Die Begrenzung bedeutet für die ARD einen spürbaren Einschnitt. Denn die neun Landesrundfunkanstalten – darunter WDR, NDR, MDR und RBB – genießen eigentlich große inhaltliche Freiheiten. Einige bevorzugen klassische Inszenierungen, während etwa der Hessische Rundfunk eine besondere Vorliebe für schräge Stoffe hat.

Einer, der das Format so gut kennt wie wenige sonst, ist Gebhard Henke vom WDR. Er ist „Tatort“-Koordinator und soll zum Beispiel sicherstellen, dass sich Inhalte aufeinanderfolgender Krimis nicht zu sehr ähneln. Henke sagt über den Erfolg der 47 Jahre alten Reihe: „Wir hätten sicherlich angesichts der über 1000 Stücke nicht das Niveau halten können, wenn wir nicht Innovation und das Austesten der Grenzen ermöglicht hätten. Der klassische Ermittlerkrimi ist und bleibt aber die DNA des ,Tatorts‘.“ Daher sei es richtig, überwiegend auf klassische Fälle zu setzen und nur „von Zeit zu Zeit“ einen experimentellen Film zu zeigen. „Die Frage, was experimentell ist und was nicht, kann man nur im Einzelfall diskutieren.“

Ein „Tatort“-Team dürfte angesichts der Entscheidung besonders froh sein, dass sein neues Projekt schon genehmigt wurde. Kommendes Jahr planen die Schweizer einen besonderen Film, der ohne Schnitt auskommt und in Echtzeit spielt. Es gibt kein Zurück: Der Film von Dani Levy ist schon abgedreht.