Eine Mutter beschreibt, wie das Tier das Leben ihres autistischen Sohns erleichtert

Das Schweinchen wirkt genauso wie ihr Sohn, einsam und traurig. So empfindet Jo Bailey, Autorin des Buches „Mein Freund Chester“, ihre erste Begegnung mit dem Ferkel. Seit bei Sam im Kleinkindalter die Diagnose Autismus gestellt wurde, gerät die Mutter zweier Söhne im Auf und Ab des Alltags mit einem solchen Kind oft nahe an einen Nervenzusammenbruch. Immer wieder gibt es neue Probleme, weil Sam Verhaltensweisen und Rituale entwickelt, die unbedingt eingehalten werden müssen.

So dürfen sich plötzlich auf dem Teller keine Farben vermischen, sonst isst er von der Mahlzeit nichts. Kleinigkeiten bringen ihn aus der Fassung, es kommt zu Wutausbrüchen, wenn etwas in seiner Welt nicht so ist, wie er es braucht. Das kann schon ein kleines Loch in einem Aufkleber sein, der dann nicht mehr perfekt ist. Erst das Minischwein Chester verhilft dem Jungen dazu, dass er aus seiner Isolation herausfindet, Zuneigung zeigen kann und sogar wieder lacht. Für Chester zieht die Familie um, das Schwein wirkt über Jahre als Stabilisator und sorgt für turbulente Erlebnisse. Seine wohltuende Wirkung auf Sam bleibt bestehen, der Junge lernt viel von seinem tierischen Kameraden und arbeitet schließlich selbst auf der Farm, wo Chester zur Welt kam.

Jo Bailey erzählt ihre eigene Geschichte, die eng mit der Entwicklung von Sam verknüpft ist. Die Britin ist eine Mutter, deren ganze Fürsorge dem autistischen Sohn gilt. Dabei überfordert sie sich zunehmend und wird erst von ihrem Dilemma befreit, als das Hausschwein in die Familie kommt.

Es ist eine bunte und humorvoll geschriebene Geschichte, welche die Tragweite erfahren lässt, mit der ein autistisches Kind die Strukturen einer Familie beeinflusst. Eine Aufgabe, die ein Mensch allein nicht schaffen kann und die in diesem Fall vor allem mit tierischer Hilfe zu einem für alle Beteiligten erleichterten Leben führt.

Jo Bailey: „Mein Freund Chester“, Goldmann Verlag, 415 Seiten, 10 Euro