Nienstedten. Seit 1999 treffen sich Bridge-Spieler in Nienstedtener Villa zum gepflegten Kartenspiel – ein Besuch

Es ist sehr still. Die Spieler, die sich an diesem Tag zu einer Partie Bridge in der denkmalgeschützten weißen Villa eingefunden haben, vertiefen sich nachdenklich in ihre Karten. Die Ruhe wird nur durch gelegentlich vorbeifahrende Fahrzeuge gestört. Das Haus liegt direkt an der Elbchaussee im Stadtteil Nienstedten, fußläufig vom Fünf-Sterne-Hotel Louis C. Jacob entfernt. Wer über die Hecke schaut, kann die Elbe bewundern. Doch die Spieler haben keinen Blick für die schöne Aussicht, den herrlichen alten Baumbestand oder die baulichen Raffinessen des Hauses von 1890, in dem sie sich befinden.

Bridge ist ein kompliziertes Spiel – zumindest, wenn man es mit der Ernsthaftigkeit betreibt, wie es die Mitglieder des privaten Clubs Hamburg-Elbvororte tun. Bei den regelmäßigen Hausturnieren gelten strenge Regeln. Es darf nicht gesprochen werden. Denn es wird in Zweier-Teams an Vierer-Tischen gegeneinander gespielt. Das Redeverbot soll verhindern, dass sich Teammitglieder Signale geben. Deshalb sind auch Gesten und Grimassen verpönt.

Gut, dass es Trainingseinheiten wie an diesem Donnerstag gibt. Da darf dann gesprochen und gefragt werden. Regelmäßig trainieren die Blankeneserinnen Stephanie Ehrensberger und Bettina Georgius mit Ilse Brandt aus Halstenbek und Tim Schüder aus Othmarschen. Es wird gereizt, gestochen und geduckt. Alles unter den Augen von Cezary Krzeminski.

Clubbetreiber ist im polnischen Nationalteam

Er ist Chef des Bridgeclubs Nienstedten. Der Halbprofispieler übernahm den privaten Club 1990. Er ist der Betreiber und somit Mieter des denkmalgeschützten Hauses. Anfang des Jahres war er selbst im Einsatz, spielte bei einem Turnier in Polen mit. Das Nationalteam, zu dem er gehört, holte Gold. Darauf sind auch seine „Schützlinge“ stolz. Sie wissen, dass sie von einem der Besten lernen, wie sie betonen.

Beim heutigen Training sitzen allerdings keine richtigen Anfänger am Tisch. Teilweise spielen sie schon mehr als zehn Jahre Bridge. Warum sie trotzdem Nachhilfe nötig haben? „Bridge ist wie eine Fremdsprache. Man lernt immer noch dazu“, erklärt Bettina Georgius. Krzeminski nickt und sagt: „Jede Partie ist anders. Jemand hat ausgerechnet, dass die Chance beim Bridge, zweimal dieselben Karten zu bekommen, niedriger ist, als im Lotto zu gewinnen.“

Aber im Unterschied zum Lotto geht es beim Bridge nicht ums Geld. Anders als beispielsweise in Frankreich wird im Elbvororte Club nicht um Geld gezockt. Gespielt wird um die Ehre des Turniersieges oder bei den Trainingsspielen um ein besseres Verständnis für den Sport. Tatsächlich ist es ganz schön sportlich, sich die zahlreichen (Benimm-)Regeln zu merken, die Punkte zu berechnen und die Bewertungen vorzunehmen. Strategen und Mathematiker lieben Bridge. Kein Wunder, dass Krzeminski ursprünglich Zahlmeister auf Seeschiffen war, bevor er sein Hobby zum Beruf machte und den Club übernahm.

210 Mitglieder zählt dieser nun,
40 davon sind auch im Verband organisiert. Die Mitgliederzahl ist laut Krzeminski stabil. Werbung macht er wenig, die Spieler kommen dank „Mund-zu-Mund-Propaganda“. „Die Mitglieder stammen vorwiegend aus den Elbvororten, zumeist aus Blankenese und Nien-stedten“, berichtet Krzeminski. Es ist ein eher wohlhabendes Klientel, das im „Clubheim“ an der Elbchaussee dem gepflegten Kartenspiel nachgeht. Die Jahresgebühr, die sie aufbringen müssen, beträgt 190 Euro plus Kartengeld für die jeweilige Bridge-Veranstaltung in Höhe von acht Euro. Eine Unterrichtsstunde kostet 20 Euro für Mitglieder, Auswärtige zahlen 25 Euro. Außer den Aktivitäten in der Nienstedtner Residenz organisiert Krzeminski auch Bridge-Reisen für die Clubmitglieder.

Einige der Spieler sind sogar über 100 Jahre alt

Das Durchschnittsalter beträgt 65 Jahre. Einige der Spieler sind sogar über 100 Jahre alt. „Denn Bridge hält den Kopf fit“, davon ist Krzeminski überzeugt. „Nur sehr wenige unserer Mitglieder leiden an Demenz. Das ist kein Zufall“, sagt er. Auch für den erkrankten Tim Schüder ist Bridge eine Waffe gegen sein Leiden. Durch das Spielen trainiere er seinen Geist, sagt er. Bettina Georgius genießt dagegen, dass sie durch die Team-Konstellation Leute kennenlerne und Bridge einen Anlass böte, sich zu treffen.

„Frau Ehrensberger, stopp!“, schaltet sich Krzeminski da plötzlich in die Übungspartie ein. Sie muss die Punkte auf ihrer Hand zählen, zusammen analysieren sie, dass Herr Schüder derzeit ihre größte Gefahr darstellt. Wenn sie ihren Stich machen will, muss sie defensiv ran. Doch wie defensiv? Wieder wird gerechnet, überlegt, was schon gespielt wurde und was noch auf der Hand ist. Bridge erfordert eine hohe Gedächtnisleistung. „Zweimal ducken“, lautet das Ergebnis nach einigen Minuten des Grübelns und Erklärens. Stephanie Ehrensberger duckt – sie verzichtet auf einen Stich zugunsten anderer – und bringt die Partie dafür durch.

„Gut“, sagt Krzeminski und holt das nächste Karten-Board heraus.

1932 wurde der erste Deutsche Bridge-Verband gegründet. Der Landesverband Hamburg/
Bremen ist einer von bundesweit 14 Landesverbänden innerhalb des Deutschen Bridge-Verbands (DBV).

Zur Allianz Hamburg/Bremen gehören laut Pressesprecherin Kathyrn Herz zwölf Clubs mit etwa 700 Mitgliedern. Auffällig ist, dass gerade dieser Landesverband einen relativ hohen Anteil an Junioren aufweist. Laut Herz machen sie sieben Prozent aller Junioren-Spieler deutschlandweit aus.