Berlin.

Reden wir über das Wetter. Oder über das Klima? Beide Begriffe sind eng miteinander verbunden – und werden häufig miteinander verwechselt, wenn es um den Klimawandel geht. Wetterextreme etwa schrecken die Öffentlichkeit auf. Einen „Hurrikan für die Geschichtsbücher“, nennt der Deutsche Wetterdienst (DWD) das außertropische Orkantief „Ophelia“, das gerade über Irland hinweggezogen ist. Einen so schweren Hurrikan der Kategorie 3 hatte es so weit östlich auf dem Atlantik, vor den Toren Europas, seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1851 noch nicht gegeben. Sind Stürme, Starkregen oder Hitzewellen Boten des Klimawandels – oder nur natürlich? Hängt beides zusammen? Ein Blick in die Wissenschaft.

Nur eine Momentaufnahmein der Atmosphäre

Tatsächlich bezieht sich die Beschreibung des Klimas auf Zeiträume von Jahrzehnten, auf Jahrtausende. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) empfiehlt eine Zeitspanne von mindestens 30 Jahren. Wetter hingegen beschreibt den aktuellen Zustand der Atmosphäre: Regen, Wind, Hitze oder Kälte innerhalb einer Zeitspanne von Stunden bis zu mehreren Tagen. Klimawandel und Wetter in Verbindung zu setzen, ist schwierig: Drei aufeinanderfolgende heiße Sommer sind kein Beleg für die globale Erwärmung, wie auch mehrere kühle Jahre in einem Jahrzehnt kein Beweis für eine Abkühlung sind. Doch es gibt etliche Studien von Wissenschaftlern, die eine Verbindung zwischen Wetterextremen und der globalen Erwärmung ziehen. „Wir beginnen, Muster zu sehen“, sagt etwa der US-Atmosphärenphysiker und Hurrikanexperte Kerry Emmanuel vom Massachusetts Institute of Technology.

Im März hob die WMO bei der Vorstellung des neuen Jahresberichts hervor, dass leistungsfähigere Computer und Langzeitdaten es ermöglichten, die Verbindung zwischen dem menschengemachten Klimawandel und extremen Wetterphänomenen „klar aufzuzeigen“. Der Anteil von Kohlendioxid in der Atmosphäre breche „immer neue Rekorde“, sagte WMO-Chef Petteri Taalas. Der Einfluss des Menschen auf das Klima werde dabei „immer offensichtlicher“.

Ein Jahrzehnt beschäftigt die Klimawissenschaft besonders – es sind die Jahre 2001 bis 2010. „Ich nenne es das Jahrzehnt der Wetterextreme“, sagt Prof. Stefan Rahmstorf. Er leitet den Forschungsbereich Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Mit seinem Forscherkollegen Dim Coumou hat er bewertet, was die WMO 2013 in einem Sonderreport über die Dekade der Extreme auflistete. Den Sommer 2003 etwa, dem in Europa 70.000 Hitzetote zugeschrieben wurden. Laut WMO waren die heißesten Sommer in Europa in den vergangenen 500 Jahren diese: 2002, 2003, 2006, 2007, 2010.

Auch extreme Niederschläge prägten diese Dekade. Sie begann 2000 mit dem nassesten Herbst seit 1776, der in England und Wales Milliardenschäden anrichtete. Zwei Jahre später standen Prag und Dresden unter Wasser. Mitte August wurde im Erzgebirge die bislang in Deutschland höchste gemessene Regenmenge gemessen: 312 Liter pro Quadratmeter in 24 Stunden. Die Dekade endete mit der Flut 2010 in Pakistan, von der geschätzt 20 Millionen Menschen betroffen waren und fast 3000 Menschen starben. Hervorgerufen wurden die Überschwemmungen durch die ungewöhnlich starken Monsunregen, die als die stärksten seit 80 Jahren gelten.

Doch ob bei diesen Wetterextremen der Mensch seine Hand mit im Spiel hat, lässt sich so einfach nicht beweisen. Das Problem: Ereignisse wie Starkregen sind lokal, räumlich und zeitlich begrenzt. Anders als etwa bei Temperaturen lässt sich aus Niederschlagswerten kein globaler Mittelwert bestimmen. Zudem fehlen langfristige Messreihen. Der Deutsche Wetterdienst weist darauf hin, dass eine hochauflösende Niederschlagserfassung notwendig sei, um die Intensität und Häufigkeit von Starkniederschlägen darzustellen. Flächendeckend kann der Wetterdienst das nach eigener Aussage erst seit 2001.

Die Potsdamer Forscher Coumou und Rahmstorf kommen zu dem Schluss: Zahlreiche Beweislinien legen nahe, dass insbesondere Hitzewellen und Niederschläge mit der globalen Erwärmung zunehmen. „Das ist Physik, erstes Semester“, sagt Rahmstorf, „warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen, pro Grad Erwärmung sind das sieben Prozent mehr Wasserdampf.“ Bis 1980 ließen sich Schwankungen in der Häufigkeit von Starkregen mit natürlichen Faktoren erklären, so eine PIK-Studie aus 2015. Die Zunahme in der jüngsten Zeit aber passe zum Anstieg der globalen Mitteltemperatur, die verursacht werde von Treibhausgasen aus dem Verbrennen von Kohle und Öl, schreibt Coumou. „Einer von zehn Rekordregen in den vergangenen dreißig Jahren, ist nur durch den Einfluss der langfristigen Klimaerwärmung zu erklären.“

Und Stürme? Wissenschaftlern fällt es schwer, den Beweis zu führen, dass Klimawandel die Zahl der Stürme erhöht. Auch hier liegt das Problem in der großen Streuung der Werte. Stürme oder Gewitter sind in vielen Teilen der Welt nur schlecht beobachtet worden. Selbst in entwickelten Ländern gibt es geschlossene Datenreihen zu außertropischen Stürmen erst seit etwa 1950 – herzlich wenig für eine Deutung. Noch anspruchsvoller sind Forschungen zu tropischen Stürmen. Denn hier haben sich Beobachtungsmethoden – etwa über Satelliten – stark geändert.

Und doch glauben Wissenschaftler, einen Fingerabdruck des Klimawandels gefunden zu haben: Die globale Erwärmung macht Stürme stärker. Die diesjährige Hurrikansaison jedenfalls hat Forscher entsetzt: „Saison der Monster“ wird sie genannt. „Harvey“ entlud Ende August mehr Regen als jeder andere Hurrikan in den USA. Innerhalb von 48 Stunden fielen bis zu 500 Liter pro Quadratmeter – ungefähr die durchschnittliche jährliche Regenmenge von Berlin. „Irma“ war länger als Hurrikan der höchsten Kategorie 5 eingestuft als jeder andere Sturm auf diesem Planeten. Bei keinem anderen Sturm seit Beginn der Messungen wurden über mehrere Tage Windgeschwindigkeiten von über 300 Stundenkilometer gemessen.

Die Stürme werdennasser und stärker

„Warum wir aufhören sollten, diese Hurrikankatastrophen ,natürlich‘ zu nennen“, titelte Hurrikanexperte Kerry Emanuel in einem Gastbeitrag in der „Washington Post“. Für ihn ist klar: Wärmere Meere liefern Hurrikanen Treibstoff. Und steigende Meeresspiegel vergrößern die zerstörerische Kraft, denn die größeren Wasserberge, die sie vor sich herschieben, richten mehr Schäden an. Emanuel befürchtet, dass drei Faktoren zusammenkommen: Stürme, die stärker und nasser werden, eine zunehmende Bebauung von Küsten und politische Entscheidungsträger, die sich scheuen, unbequeme Entscheidungen zu treffen.

Serie: Zur UN-Klimakonferenz in Bonn vom 6. bis 17. November erklärt die Redaktion in den kommenden Ausgaben die wichtigsten Themen der internationalen Verhandlungen