Washington.

Von den Holzböden, die Patsy und Heinz Streckfuss in ihrem Haus in Coffey Park gerade erst komplett erneuert hatten, war nur noch Asche übrig. Seit fast einer Woche wüten die Waldbrände zwischen Sonoma und Napa. Das Rentnerpaar aus Santa Rosa gehört zu Tausenden in Kalifornien, denen die Flammen alles genommen haben. Aber sie leben. 31 andere Menschen, darunter viele Senioren, sind umgekommen in dem Inferno, das allabendlich die TV-Nachrichten in Amerika dominiert. Und fast 900 Personen werden noch vermisst.

Ken Pimlott von der Wald- und Feuerschutzbehörde und Ron Giordano, Sheriff von Sonoma County, nennen die erschreckenden Eckdaten: 8000 Feuerwehrkräfte, darunter Hunderte abkommandierte Strafgefangene, die für einen Dollar die Stunde arbeiten, kämpfen gegen 20 verschiedene Großfeuer. 3500 Häuser sind völlig zerstört. Ein Gebiet von 700 Quadratkilometern ist von den Flammen betroffen. 30.000 Menschen mussten evakuiert werden. Spürhunde suchen im verkokelten Schutt nach Opfern. Die Behörden haben nach den „heftigsten Feuern in den vergangenen 30 Jahren“ den Notstand ausgerufen. Gouverneur Jerry Brown hofft auf Regen. Oder Windstille.

Das könnte verhindern, was Feuerwehrchefs wie Tony Gossner „so noch nie gesehen haben“. Zwar sind westlich der Rocky Mountains nahezu in jedem Sommer Waldbrände an der Tagesordnung. Weil es hier zwischen Mai und Oktober so gut wie nie regnet, Gras und Gebüsch völlig austrocknen und beim kleinsten Funken idealen Zunder bieten. Aber anders als sonst haben diesmal sturmartige Winde mit Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h die Brände wie bei einem „apokalyptischen Föhn“ so aggressiv entfacht, dass viele Häuser binnen Minuten wie Streichholzschachteln verbrannten. „Von Eindämmungschancen keine Spur“, sagte ein Feuerwehrmann dem Sender ABC. In nur zwölf Stunden war bereits am Dienstag ein Gebiet von 80 Quadratkilometern von den Feuerwalzen überrollt worden, „das ist einmalig.“

„Peanuts“-Museum blieb wie durch ein Wunder verschont

Anwohnern wie Ehepaar Streckfuss blieben nur Minuten, um die Flucht zu ergreifen. Als sie auf der Suche nach Katze Rosie zurückkehrten, schossen den Senioren Tränen in die Augen. Ihr Viertel gleicht einer Trümmerlandschaft im Krieg. Straßenzugweise verkohlte Ruinen, Rauchsäulen. Totale Zerstörung. „Ich weiß wirklich nicht, was jetzt aus uns werden soll“, sagt Heinz Streckfuss. Aber er ist am Leben. Charles Rippey (100) und seine zwei Jahre jüngere Frau Sara haben es nicht geschafft. Die Leichen wurden in der Garage ihres Hauses in Silverado gefunden. Das Ehepaar war seit 75 Jahren verheiratet. Weil vielerorts die Mobilfunknetze kollabiert sind, geht die Polizei von weiteren tragischen Fällen aus.

Am schlimmsten betroffen ist Santa Rosa. 170.000 Einwohner zählt die gut eineinhalb Autostunden nördlich von San Francisco gelegene Stadt, in der „Peanuts“-Erfinder Charles M. Schulz bis zu seinem Tod zeichnete. Das gleichnamige Museum, eine touristische Perle, blieb wie durch ein Wunder unbeschädigt. Was aus dem für seine heißen Quellen und Schlammbäder berühmten Calistoga im Napa-Valley wird, ist noch die Frage. Bürgermeister Chris Canning rief die 5000 Einwohner zur Evakuierung auf. Seine Sorge: Weil die Rettungskräfte auch auf Bundesebene durch die Hurrikan-Katastrophen in Texas, Florida und Puerto Rico komplett überlastet sind, „kann hier niemand helfen, wir sind auf uns gestellt“.

Noch nicht erfasst sind die Schäden in der Wein-Industrie. Sonoma und Napa gehören mit ihren Merlots, Chardonnays und Cabernet Sauvignons aus 650 Kellereien zu den Top-Adressen. 13 Prozent aller kalifornischen Rebensäfte – ein Geschäft im Volumen von insgesamt 55 Milliarden Dollar pro Jahr – werden hier gekeltert.

In den „White Rock Vineyards“ hatte die Familie von Henri Vandendriessche seit 1870 Trauben kultiviert. Das Weingut brannte aus. Ebenso die „Paradise Ridge Winery“ in Santa Rosa, die auch für ihren Skulpturen-Garten berühmt ist, die „Signorello Estates“ und das bekannte Hotel Hilton Sonoma Wine Country. Kleiner Lichtblick: Auf die Ernte, so Karissa Kruse vom örtlichen Weinbauer-Verband, haben die Waldbrände kaum Einfluss. „90 Prozent der Trauben waren bereits gepflückt.“