Berlin.

Immer mehr Menschen, die vom Alltagslärm genervt sind, schätzen sie: Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung, ANC genannt. Ursprünglich von Piloten gegen den Triebwerklärm eingesetzt, sorgt ANC heute auch dafür, dass das Brummen einer viel befahrenen Straße oder das Rauschen der Klimaanlage verstummen. Wie gut ist die Technik? Und sind die Hörer auch für Musikliebhaber geeignet? Drei neue Modelle im Test.


Bowers & Wilkins PX

Mit dem B&W PX (399 Euro) hat die britische Edel-Sound-Schmiede vor wenigen Tagen erstmals einen Kopfhörer mit ANC vorgestellt. Mit seinem Textilbezug wirkt der PX dabei etwas sportlicher als seine Verwandten P5 und P7.

Ausstattung: Dem Kopfhörer liegen eine Tasche, ein Ladekabewl (USB-A auf USB-C) und ein 3,5 Millimeter-Klinkenkabel bei, denn er lässt sich auch per Kabel betreiben.

Der B&W PX bietet eine praktische Trageerkennung: Sobald man den Hörer abnimmt oder einen Ohrhörer anhebt, stoppt die Wiedergabe. Legt man den Kopfhörer ganz ab, schaltet er in einen sparsamen Stand-by-Modus – setzt man ihn wieder auf, verbindet er sich automatisch und spielt weiter. Das funktionierte im Praxistest sehr gut. Laut B&W soll die Batterie angeblich bis zu 22 Stunden halten – das wäre ein beachtlicher Wert für einen ANC-Kopfhörer.
Geräuschunterdrückung:
Der PX bietet im Vergleich die meisten Einstellungsmöglichkeiten. In der App kann man nicht nur vier ANC-Modi wählen (Aus/Büro/Stadt/Flug), man kann über einen Schieberegler auch beliebig die Pass-Through-Funktion ändern. Dabei werden bestimmte Frequenzen von der Außenwelt, in denen man Stimmen oder Autogeräusche gut hört, gezielt in das Audiosignal eingemischt und auf Wunsch sogar verstärkt. So verschwindet dank ANC zwar das Brummen der Klimaanlage, das Gespräch des Büronachbarn ist aber noch zu verstehen. Der Flug-Modus sorgt für die stärkste Geräuschunterdrückung.

Sound: Der PX ist in den Höhen und oberen Mitten zurückhaltend abgestimmt, teils wünscht man sich einen Tick mehr Brillanz. Dafür bieten die Kopfhörer einen satten, bauchigen Bass. Schaltet man ANC ab, kann die Musik ein klein wenig mehr „atmen“, die Höhen bekommen mehr Luft. Bei vielen unserer Test-Lieder verbesserte sich der Sound leicht. Das sind allerdings Beobachtungen in ruhiger Umgebung: Im lärmigen Alltag sorgt ANC hier für einen erheblich besseren Sound. Achtung Brillenträger: Durch die schlechtere Abdichtung am Ohr leidet die Basswiedergabe erheblich – ein Effekt, den wir bei Bose kaum und bei Beats gar nicht beobachten konnten. Übrigens: Wer nur am Rande Wert auf ANC legt, sollte zum B&W P7 greifen. In ruhiger Umgebung übertrifft er klanglich die drei hier getesteten Kopfhörer deutlich.

Bose QC35 II

Bose ist Pionier bei der Geräuschunterdrückung und verkauft schon seit 2000 ANC-Kopfhörer an Endverbraucher. Der QC35 II (379 Euro) ist das Topmodell.

Ausstattung: Auch hier finden sich Tasche, Ladekabel (Micro-USB) und Audiokabel in der Box. Anders als der B&W PX lässt sich der QC35 II per Kabel auch ganz ohne Strom betreiben – dann aber ohne ANC.

Besonderheit des QC35II ist eine separate Taste für den Google-Assistenten. Sie startet den Sprachassistenten, außerdem kann man sich so verschiedene Benachrichtigungen vom Telefon mitteilen lassen. Wer das nicht braucht, kauft sich besser den Vorgänger und kann Geld sparen. Der Akku hält laut Bose 20 Stunden. Wer vergisst, die Hörer bei Nichtgebrauch abzuschalten, muss aber deutlich früher nachladen.
Geräuschunterdrückung: Bei Bose hat man in der App die Wahl, ob man ANC auf „Niedrig“ oder „Hoch“ einstellt. Letzteres sorgt für eine wirklich beeindruckende Ruhe. Bei Wind kann es hier aber zu Störgeräuschen kommen – „Niedrig“ ist dann die bessere Wahl. Eine Pass-Through-Funktion wie beim B&W PX gibt es nicht.

Sound: Bose hat seine Hörer auf stimmliche Brillanz getrimmt – das gibt Gesangsstimmen mehr Präsenz. Die Kehrseite zeigt sich bei mittenlastigen Rockproduktionen, wo bei höheren Lautstärken manche E-Gitarre schneidend wird. Die ANC-Einstellungen beeinflussen den Klang auch hier leicht. Mit ANC klingen gerade Mitten und Höhen einen Tick kompakter.

Beats Studio3 Wireless

Mit den Studio3 Wireless (349 Euro) hat Beats nun auch das Flaggschiff seiner schnurlosen Kopfhörer mit Apples neuem W1-Bluetooth-Chip ausgestattet – außerdem wurde das ANC völlig überarbeitet.
Ausstattung:
Im Karton liegt neben Etui, Audio- und Ladekabel (Micro-USB) noch ein Karabinerhaken. Ansonsten sind die Kopfhörer in der Bedienung schnörkellos, eine App gibt es nicht. ANC wird mit zweifachem Druck auf die Power-Taste an- und ausgeschaltet. Der W1-Chip sorgt für eine deutlich höhere Funkreichweite als bei der Konkurrenz.
Geräuschunterdrückung:
Anders als typische ANC-Kopfhörer analysiert der Beats3 die Geräuschkulisse erst mehrere Sekunden, bevor die Unterdrückung einsetzt – so kann etwa auch direkter Wind gefiltert werden. Insgesamt ist die Filterleistung gut, an Bose kommt Beats aber nicht heran. Was Beats dagegen geschafft hat: ANC wirkt sich nicht auf den Klang aus.

Sound: Traditionell stimmt Beats seine Kopfhörer warm, mit kräftigen Bässen ab. Der Gesamtklang wirkt am stimmigsten.

Fazit

Bose bietet die beste Geräuschunterdrückung und einen eher klaren Klang. Beim B&W PX kann man das ANC fein einstellen, Talk-Through erlaubt Kontakt zur Außenwelt, das smarte Stand-by sorgt für lange Batterielaufzeiten. Der Beats Studio3 Wireless schließlich hat einen guten, runden Sound und eine beispiellose Reichweite. Wer seine Priorität auf Klangqualität setzt und ANC eigentlich nicht braucht, kauft besser den B&W P7 Wireless (399 Euro).

Wer für einen Kopfhörer nicht ganz so viel Geld ausgeben möchte: Der N60 NC von AKG ist für etwa 190 Euro zu haben, ist jedoch ein kabelgebundenes Modell.