Die Komödie „Vorwärts immer!“ spielt sehr gelungen mit Verwechslung und Slapstick

Was für ein Bild, was für ein Slapstick-Moment. Erich Honecker stolpert die Treppe herunter, rutscht auf dem frisch gebohnerten Parkettboden aus und fällt ins Koma. Eine sinnige Metapher auf Karriereleitern im Allgemeinen und das politische Glatteis im Speziellen. Und eine – wenn auch recht verspätete – Erlösungsfantasie auf die längst untergegangene DDR. „Vorwärts immer!“ ist 28 Jahre nach dem Mauerfall die erste Honecker-Verwechslungskomödie. Und zugleich eine gelungene Hommage auf „Sein oder Nichtsein“. Nur diesmal eben nicht als Politfarce auf das Nazi-Regime, sondern auf den Stasi-Staat.

Wie bei Lubitsch wird auch hier in einem Theater Shakespeare angekündigt, aber ein nicht genehmigtes Stück zur aktuellen politischen Lage geprobt: „Vorwärts immer!“ Darin soll der Staatsschauspieler Otto Wolf den Generalsekretär des Zentralkomitees der SED mimen. Obwohl man dazu eigentlich nicht viel braucht („Nuscheln, lächeln, Lenin“), hadert der Mime, ob er die Rolle richtig ausfüllt. Und der Konkurrenzschauspieler Harry Stein (Devid Striesow) scharrt schon mit den Füßen, weil er selbst Honecker spielen will. Es ist der 9. Oktober 1989. Es brodelt im Arbeiter- und Bauernstaat. Es brodelt aber auch in der Familie Wolf. Tochter Anne (Josefine Preuß) ist schwanger, ausgerechnet vom Sohn von Wolfs Konkurrent, sie will mit einem gefälschten Pass in den Westen, zur Mutter.

Weil der Papa die Papiere kurzerhand zerreißt, fährt sie mit einem Fluchthelfer (Jacob Matschenz) nach Leipzig, um sich neue Dokumente fälschen zu lassen. Da geht die Kunde um, Honecker hat den Schießbefehl für die wöchentliche Montagsdemonstration in Leipzig gegeben. Um seine Tochter zu retten, die nur seinetwegen dahin unterwegs ist, gibt es nur eins: Solange der echte Honecker in Wandlitz auf der Jagd ist, muss Wolf ihn außerhalb der Bühne geben.

Erich Honecker steht filmmäßig hoch im Kurs. Zum Tag der Deutschen Einheit hat die ARD gerade erst die Komödie „Willkommen bei den Honeckers“ ausgestrahlt. Schade, dass „Vorwärts immer!“ nun eine Woche später startet. Und quasi hinterherstolpert. Immerhin hat Regisseurin Franziska Meletzky, die selbst in Leipzig geboren ist und den DDR-Unrechtsstaat schon in mehreren Filmen verarbeitet hat, zehn Jahre um ihr Projekt kämpfen müssen. Jetzt kommt es quasi zum 75-Jährigen von Lubitschs „To Be Or Not To Be“: Honi or Not Honi.

„Vorwärts immer!“ lebt von herrlichen Pointen und dem Spiel des ganzen Ensembles. Allen voran Jörg Schüttauf in seiner Doppelrolle. Der Film ist eine leichte, aber nie leichtfüßige Komödie. Unterdrückung und Schwere der Lage, sie werden nie verharmlost, aber ad absurdum geführt – und weggelacht.

„Vorwärts immer!“ D 2017, 98 Min., ab 12 J.,
R: Franziska Meletzky, D: J. Schüttauf, J. Preuß, täglich im Abaton, Elbe, Passage, UCI Mundsburg; dcmworld.com/portfolio/vorwaerts-immer