Jahresschlussversammlung des Ehrbaren Kaufmanns in der Handelskammer wagt immer Ende Dezember einen scharfen Blick auf das Wohlergehen der Hansestadt

Man darf schon gespannt sein, wie sich Tobias Bergmann aus der Affäre ziehen wird. Am letzten Werktag eines Jahres – 2017 wird das der 29. Dezember sein – ist der Präses der Hamburger Handelskammer Gast im eigenen Haus. Im Börsensaal hält er vor der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns (VEEK) und auf deren Einladung so etwas wie die Regierungserklärung der Hamburger Wirtschaft. Offiziell bestätigt ist Bergmanns Erscheinen zwar noch nicht, doch seit mehr als 200 Jahren ist es gute Tradition, dass der Handelskammer-Präses dem anwesenden Senat vor rund 2000 geladenen Gästen die politischen Leviten liest – ohne die Möglichkeit einer direkten Replik.

Bergmanns Vorgänger nahmen kein Blatt vor den Mund. Stets wurde ausgehend von der großen Weltpolitik über die Lage in Deutschland der scharfe Blick auf die Hansestadt und ihr wirtschaftliches Wohlergehen gelenkt. In den vergangenen Jahren standen Themen wie Elbvertiefung, Verkehrsplanung, Digitalisierung oder Elektromobilität auf der Agenda. Und mitunter ging es über wirtschaftliche Sachthemen hinaus ans politisch Eingemachte.

Sogar ein juristisches Nachspiel hatte 2015 die scharfe Kritik des damaligen Präses Fritz Horst Melsheimer an der direkten Demokratie im Zusammenhang mit der Hamburger Olympia-Bewerbung, die letztlich durch einen Volksentscheid gestoppt wurde. Der Hamburger Immobilienunternehmer Bernd C. Jakovlev hatte im Anschluss auf Unterlassung geklagt.

Tatsächlich stufte das Verwaltungsgericht Hamburg Teile von Melsheimers Rede als rechtswidrig ein. Kammern dürften sich nur zu Fragen äußern,
die auch die Belange der Wirtschaft berühren – und dies außerdem nur in maßvoller Form.

Jakovlev gehört zu den sogenannten Kammerrebellen („Die Kammer sind WIR!“), die unter Führung von Tobias Bergmann in diesem Jahr bei den Plenarwahlen fast alle Sitze gewonnen haben. Die Kammer hatte gegen das Verwaltungsgerichtsurteil Berufung eingelegt. Vor drei Monaten meldete sie, dass „die Parteien nun im gegenseitigen Einvernehmen“ die juristische Auseinandersetzung ad acta gelegt hätten. Vor diesem brisanten Hintergrund stellt die Jahresschlussansprache vor der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns eine besondere Herausforderung für den neuen Präses dar.

Der bleibt jedoch betont gelassen: „Wir können und werden uns weiterhin zu wirtschaftspolitischen Themen in der Öffentlichkeit äußern – das gilt auch für mich als Präses“, sagt Bergmann. Indes hatte der neue Kammerchef gleich zu Beginn seiner Amtsperiode im April mit eigenen Vorstellungen vom Ablauf der Traditionsveranstaltung im Börsensaal für Irritationen bei der VEEK gesorgt. Neben dem Präses könnten doch zusätzlich noch ein Azubi, ein Existenzgründer und ein Traditionsunternehmer zu Wort kommen, so der Vorschlag aus der Kammer. Der VEEK-Vorsitzende Gunter Mengers lehnte ab: „Wir laden ein, und wir bestimmen die Regeln.“ Zumindest in diesem Jahr soll es weitgehend beim bewährten Ablauf bleiben. „Das beinhaltet eine Ansprache des Kammerpräses, in der er traditionell auch die Politik des Senats seziert, auf Wirtschaftstauglichkeit abklopft und dabei konstruktive Kritik übt“, sagt Mengers.

Künftig könnte es Veränderungen geben

Der VEEK-Vorsitzende selbst wird die Jahresschlussveranstaltung mittags um 12 Uhr eröffnen. Auch Redebeiträge aus dem VEEK-Vorstand haben in der Vergangenheit schon zu Verstimmungen in der Hamburger Politik geführt. So musste sich 2010 der damalige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) im Zusammenhang mit dem Volksbegehren gegen die Schulreform sagen lassen, der Senat verkaufe die Wähler für dumm. Von Beust, ohne Rederecht auf der Versammlung, war dem Vernehmen nach erbost, hielt sich aber hanseatisch zurück.

Doch der Ehrbare Kaufmann dürfte nur wenig Interesse an einer Eskalation haben – weder mit der Politik und der Stadt noch mit der Handelskammer, mit der er eng verwoben und die indirekt aus den Reihen der ersten bedeutenden Interessenvertretung der Hamburger Kaufmannschaft hervorgegangen ist. „Wir befinden uns in konstruktiven Gesprächen mit der neuen Kammerführung über erforderliche organisatorische Veränderungen“, sagt Mengers. Der VEEK-Vorsitzende macht aber auch klar: „Wir sind kein Anhängsel der Handelskammer, sondern deren historische Wurzel.“