Berlin.

Als Google jüngst seine neuesten Geräte vorstellte, ging es überraschenderweise zuerst um Software. Eine „AI first World“, also eine Ausrichtung, bei der künstliche Intelligenz im Mittelpunkt steht, das sei die Priorität des Unternehmens, betonte Google-Chef Sundar Pichai. Zu sehen gab es anschließend einiges: Neben den neuen Pixel-2-Smartphones auch zwei smarte Lautsprecher, einen kabellosen Kopfhörer mit Übersetzungsfunktion und – vorerst nicht in Deutschland – eine Kamera, die selbstständig ihre Motive aussucht, sowie ein neues Notebook. Sie alle stehen im Zeichen von Googles schlauer Software. „AI first“ – diese Strategie hatte der Konzern bereits im Frühjahr, anlässlich der Entwicklerkonferenz I/O ausgegeben. Nun wird deutlich, wie ernst es dem Unternehmen damit ist.

Dabei geht es aber längst nicht nur darum, überall einen Sprachassistenten unterzubringen. Googles Strategie greift viel weiter. Die Begriffe „AI“, also künstliche Intelligenz, und „Machine Learning“ (ML, siehe Kasten), dominierten die Gerätepräsentation. Also Software-Begriffe, obwohl es doch eigentlich um Hardware gehen sollte. Aber das lässt sich bei Google eben nicht mehr trennen: Letztlich, so betonte Pichai, haben die Hersteller im Wesentlichen dieselben Bauteile zur Verfügung, wenn es darum geht, ein neues Smartphone zu bauen. Den Unterschied macht jetzt die schlaue Software im Innern.

Vorsprung durch lernende Software

Was genau Google damit meint, lässt sich gut anhand der Kamera des neuen Pixel-2-Smartphones zeigen. Das hat – wie auch die Hauptkonkurrenten iPhone 8 (bzw. iPhone X) und Samsung Note 8 – einen 12-Megapixel-Bildsensor und eine große Blendenöffnung (Blendenwert 1.8). Anders als Samsung oder Apple nutzt Google allerdings nur eine rückwärtige Kamera, nicht zwei.

Trotzdem stellt das Pixel 2 im unabhängigen Smartphone-Kameratest des Expertenteams von DxO einen neuen Rekordwert von 98 Punkten auf und verweist die besser ausgestatten Konkurrenten auf den zweiten Platz (beide 94 Punkte). Selbst die Portrait-Funktion (Motiv scharf, Hintergrund unscharf), für die bislang zwingend zwei Kameras auf der Smartphonerückseite notwendig waren, bewältigt Googles neues Smartphone dank Softwaremagie mit nur einer Kamera – und zwar durchaus auf Augenhöhe, wie ein erster kurzer Test nach der Präsentation bewies.

Dieser Vorsprung Googles basiert auf eben diesen zwei Abkürzungen AI und ML, die Pichai mantraartig wiederholte. Macht das Pixel 2 ein Foto, dann werden im Hintergrund etliche Bilder aufgenommen – und die lernende Software sucht sich aus den einzelnen Aufnahmen jeweils die besten Pixel heraus, um sie zu einem besseren Bild zusammenzusetzen. Auch andere Hersteller nutzen diese Art von Bildverbesserung. Bloß sind sie darin nicht ansatzweise so gut wie Google.

Dazu kommen weitere Funktionen, die Googles schier unerschöpfliche Datenbestände zugänglich machen – wie Goo­gle Lens: Steht man etwa vor einer Sehenswürdigkeit, genügt ein Foto und ein Fingertipp und schon spuckt das Pixel 2 alle wichtigen Informationen dazu aus. Das klappt auch mit Plattencovern, Gemälden, Büchern und vielem mehr.

Die Geräte selbst sind durchaus gefällig, das größere Pixel 2 XL bietet sogar ein schickes, großes Display mit schmalen Rändern. Auch liegen sie deutlich besser in der Hand als das erste Pixel. Echte Hingucker, wie das iPhone X oder das Samsung Note 8, sind sie aber nicht.

Auch bei den reinen technischen Daten heben sich Pixel 2 (5-Zoll-OLED-Display, ab 799 Euro) und Pixel 2 XL (6-Zoll-OLED-Display, ab 939 Euro) kaum von anderen aktuellen Flaggschiff-Geräten ab. Den schnellen Snapdragon-935-Prozessor, 4 GB RAM und ein wassergeschütztes Aluminiumgehäuse gibt es auch bei anderen. Die tiefe Inte­gration lernender Software sowie der Zugriff auf Googles Datenbestände machen die Geräte besonders – und so zur ernst zu nehmenden Konkurrenz für Samsung, Apple und Co.

Neue Geräte mit Google Assistant

Natürlich spielt in Googles Strategie auch der Google Assistant eine wesentliche Rolle. Die zwei neuen smarten Lautsprecher etwa sind eine klare Kampfansage an Amazon und Apple. Der kompakte Home Mini (59 Euro, ab 18. Oktober) kontert Amazons Einsteiger-Alexa-Gerät Echo Dot (59 Euro), und der auf lauten und guten Klang ausgelegte Google Home Max (399 Dollar, ab 2018) zielt wohl auf Apples Siri-Lautsprecher HomePod (ab 2018, 349 Dollar). Amazon hat derzeit noch einen zeitlichen Vorsprung und ist mit seinen Geräten entsprechend weiter verbreitet – doch schon jetzt ist der Google Assistant klar besser als Alexa oder Siri, das Rennen ist noch nicht entschieden.

Wie die Software-Integration den Blick auf ein Gerät komplett ändern kann, zeigen die neuen Google Pixel Buds (179 Euro, ab November), kabellose Bluetooth-Kopfhörer, die mit dem Pixel besonders gut harmonieren. Sie bieten etwa fünf Stunden Akku-Laufzeit, lassen sich mit dem Pixel besonders einfach verbinden und werden in ihrer Transporttasche gleichzeitig auch geladen – darin stecken noch einmal 24 Stunden Energie. Fast exakt also die Rahmendaten von Apples AirPods. Was die Pixel Buds abhebt, ist erneut die Software: Denn mithilfe des Google Assistant werden die Kopfhörer zum Universal-Übersetzer: Auf den Befehl „Hilf mir, Französisch zu sprechen“ übersetzt Google die eigenen Sätze und gibt sie auf dem Telefon aus – andersherum wird eine ins Telefon gesprochene Antwort in der eigenen Sprache ausgegeben. Hat auch das Gegenüber Pixel Buds im Ohr, kann man sich so nahezu flüssig in seiner jeweiligen Sprache unterhalten und einander trotzdem verstehen – das klappt derzeit mit 40 Sprachen.

Googles Devise „künstliche Intelligenz zuerst“ klingt, als gehe es dabei vor allem um Technik – tatsächlich stehen hier aber die Bedürfnisse des Menschen im Vordergrund.