Spielzeiteröffnung mit einem „Open House“ und Sidi Larbi Cherkaouis „Fractus V“

Der belgisch-marokkanische Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui zählt zur ersten Riege im internationalen Gegenwartstanz. Mit seinen weltweit gefeierten Arbeiten wie „Sutra“ oder „Babel“ gehört er zu den Stammkünstlern auf Kampnagel. Wer könnte vom 11. bis 14. Oktober die kommende Saison besser einläuten als Cherkaoui mit „Fractus V“?

Das opulente Tanzstück ist wie geschaffen für die große Kampnagel-Halle. Fünf männliche Tänzer versuchen darin, den Geist zu befreien mithilfe der Kraft und Virtuosität des Körpers. Sie machen das mit Bewegungen, die mal aus dem Flamenco, mal aus dem Hip-Hop stammen. Aber Cherkaoui war schon immer ein stilistisches Chamäleon. Drei Musiker steuern Klänge aus Japan, Korea und Indien bei. Der Choreograf ist genauso von seinen flämischen wie marokkanischen Wurzeln geprägt. Außerdem von Choreografen wie Pina Bausch und Alain Platel, die den Tanzbegriff entscheidend erweitert haben. Bei Cherkaoui stehen Sprache und Livemusik stets gleichwertig neben der Bewegung. Kaum zu glauben, dass der Tanztheater-Star Autodidakt ist. Aus kulturfernem Elternhaus stammend, hat er die Bewegungskunst über Musikvideos von Michael Jackson und Musicals wie „Fame“ für sich entdeckt. Der Erfolg ist hart erarbeitet. Inzwischen ist er sogar zum Direktor des Königlichen Balletts in Flandern berufen worden.

Unter den Künstlern sind auch solche, die mit Ausgrenzung zu kämpfen haben

Eingebettet ist die Premiere in einen größeren Schwerpunkt zum Thema „Open House“, Kampnagel will eine Stätte für alle sein. Das „Open House“ löst das „Refugees Welcome“-Zentrum ab, indem es den Begriff umfassend erweitert: Von Donnerstag (5.10.) an zählen alle neuen und schon länger Angekommenen sowie alle Alteingesessenen mit dazu.

Unter den gastierenden Künstlern sind auch solche, die mit Ausgrenzung zu kämpfen haben. Der indische Choreograf Mandeep Raikhy etwa, der in „Queen
Size“ (5. bis 7.10., jeweils 19, 19.45 und 20.30 Uhr) die Liebe zwischen zwei Männern beschreibt, konnte diese Arbeit in Indien nur inoffiziell zeigen. Mit ähnlichen Pro­blemen hat der zwischen Berlin und Barcelona wirkende Libanese Yousef Iskandar zu tun. In „Araburlesque“ (5./6.10., jeweils 22 Uhr ironisiert er Klischees von Männlichkeit und weiblichem Werben und bringt beides szenisch aufregend mit orientalischem Tanz und Cabaret-Formen auf die Bühne.

Schließlich stellt auch die Berliner Performerin Monika Gintersdorfer gemeinsam mit dem ivorischen Choreografen Franck Edmond Yao die erste Produktion der neuen gemeinsamen Kompanie La Fleur mit dem Titel „Die Selfmade-Aristokratie“ (5. bis 7.10., jeweils 20 Uhr) vor. Anhand des französischen Klassikers Honoré de Balzac geht es um Emporkömmlinge, die ihren sozialen Aufstieg auf Behauptung und Stilbewusstsein gründen. Ein Prinzip, das sich auch an der Elfenbeinküste beobachten lässt.

Spielzeiteröffnung „Open House“ u. a. mit Sidi Larbi Cherkaoui: „Fractus V“ Mi–Sa 11.–14.10., jeweils 20.00, Kampnagel (Bus 172, 173),
Jarrestr. 20–24, Karten zu 14,- bis 38,-
unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de