Früher stand die Band Bonaparte für durchgeknallte Shows, bei denen Musiker und Tänzer in Tierkostümen und anderen grotesken Verkleidungen aufgetreten sind. Das ganze war mehr Zirkus als Konzert. Tobias Jundt, der Kopf hinter der Band, nannte seine Musik „Visual Trash Punk“. Doch inzwischen hat Jundt sich von der Zirkus-Idee verabschiedet, mit der er vor ein paar Jahren jedes Rockfestival aufgemischt hat. Jundt übt sich jetzt in Minimalismus. Seine Konzerte kommen ohne Kostüme und anderen Hokuspokus aus. Er hat sich zum Singer-Songwriter gewandelt, der mit ruhigen Songs seine Kommentare zum Weltgeschehen abgibt.

„The Return Of Stravinsky Wellington“ heißt sein aktuelles fünftes Studio­album, das in diesem Sommer auf seinem eigenen Label herausgekommen ist. „Meine bisherigen Platten waren vor allem für die Nacht konzipiert, diese passt nun zu allen Situationen des Lebens“, sagt der Songwriter über sein neuestes Werk. „Fuck Your Accent“ zum Beispiel feiert die Schönheit der Sprache, der Schlüsselreiz, um sich zu verlieben, passiert über Stimmfarbe und Klang. In „White Noize“ kritisiert der Künstler aus der Schweiz das Weltgeschehen als „blutiges Chaos“, aber nicht alles auf „The Return Of Stravinsky Wellington“ hat Tiefgang. „Wolfenbüttel“ zum Beispiel ist keine Hommage an die niedersächsische Stadt, sondern ein nicht besonders tiefschürfendes Liebeslied. Es ist ein Teil des großen Reigens an Themen, über die Jundt alias Bonaparte Songs geschrieben hat.

Die Bands Bonaparte und Fotos haben alte Zöpfe konsequent abgeschnitten

So wie Bonaparte einen radikalen Neustart hingelegt hat, musste auch Fotos sich neu erfinden. Drei Alben hatte das Quartett um Sänger Tom Hessler zwischen 2006 und 2010 veröffentlicht, doch nach „Porzellan“ hatte sich der Klangkosmos der Indie-Pop-Band in der klassischen Besetzung Gitarre, Bass, Schlagzeug erschöpft. Die Musiker suchten nach neuen Klangstrukturen und experimentierten mit Synthesizern, Sambatrommeln und einer Steeldrums. Doch so richtig wollten die neuen Songs nicht flutschen. Zwei Jahre pendelten die Musiker für mehrtägige Sessions immer wieder zwischen Hamburg und Berlin. Heraus kam ein Sammelsurium an Ideen und Soundfetzen, doch nichts, was sich für ein Album geeignet hätte. Außerdem kamen andere Projekte hinzu und ein neues Fotos-Album rückte immer weiter in die Ferne.

Als Glücksgriff erwies sich für die Band letztlich ein Treffen zwischen Tom Hessler und dem Berliner Produzenten Tobias Siebert. Er war begeistert von den angehäuften Skizzen der Band. Im Sommer 2016 hat Siebert die Band in sein Studio eingeladen, und in nur zwei Wochen arbeitete das Quartett konzentriert weiter. In einer zweiten Studiophase im November wurde „Kids“, so der Titel des Albums, dann fertig. Herausgekommen ist eine hervorragende Platte mit einem breiten, manchmal fast orchestral klingenden Sound und tollen neuen Songs wie „Haut“, „Am Ende“ und „Alles offen“. Auch Fotos hat sich neu erfunden und klingt besser denn je.

Bonaparte, Fotos Sa 30.9., 21 Uhr, Mojo Club, Reeperbahn 1, Karten zu 20 Euro im Vorverkauf