Clowns, Clowns, überall Clowns. Ende der 80er-Jahre versprach ein weiß geschminkter, rotmündiger Clown namens Ronald McDonald unendlichen Spaß, wenn man sich für die richtigen Hamburger entscheiden würde. In Stephen Kings 1500 Seiten starkem Horrorthriller „Es“ verteilte der weiß geschminkte, rotmundige Clown Pensnywise bunte Luftballons und zog jedes ihm auf den Leim gegangene Kind in die Abwasserkanäle der Kleinstadt Derry, hinab in die Hölle. Geschadet hat dieser Widerspruch weder King noch dem Absatz von Burgern. Nur das Verhältnis zu Clowns dürfte für eine ganze Generation nachhaltig gestört worden sein.

Wahrscheinlich ist es dieser persönliche Bezug, der den argentinischen Horrorregisseur Andy Muschietti dafür prädestiniert hat, die erste Kinoadaption von „Es“ (nach einem TV-Mehrteiler 1990) vorzulegen. Ihr erster Teil feiert seit Wochen in den USA Triumphe und kommt nun auch zu uns ins Kino, der zweite soll nächstes Jahr folgen.

In die gruseligsten Häuser von Derry würde sich niemand hineintrauen

1986, im Erscheinungsjahr des Romans, war Muschietti zarte 13 Jahre jung. Sein Film beginnt nun zwei Jahre später, im Haus der Familie Denbrough. Teenager Bill (Jaeden Lieberher) ist allein zu Haus mit seinem kleinen Bruder Georgie (Jackson Robert Scott). Es passiert nichts Außergewöhnliches, außer dass das Haus bei jedem Öffnen einer Tür, bei jedem Knarzen einer Diele den Zuschauer in Alarmzustand versetzt. Er setzt sich fort, wenn wenig später Georgie im Regen ein Papierschiffchen in den Rinnstein setzt. Schließlich wird es in einen Abwasserschacht gesogen, vor dem sich der unglückliche Georgie hinkniet, bis ihm aus der Finsternis zwei glühende Clowns­augen anstarren.

Mit dem Verschwinden seines Bruders endet Bills Kindheit abrupt, auch wenn er Monate später mit seinen Schulfreunden Stanley (Wyatt Oleff), Eddie (Jack Grazer) und Richie (Finn Wolfhard) oberflächlich in die Normalität der Pubertät findet. Sie reden über die Schule, Mädchen und Musik – bis Bill wieder diesen Blick in die Ferne bekommt. Es endet stets mit einer neuen Suchaktion nach Georgie, in die stinkendsten Winkel des örtlichen Abwassersystems und hin zu den gruseligsten Häusern von Derry, in die sie sich freilich niemals hineintrauen würden. Dafür bedarf es schon eines mutigen Mädchens. Beverly (Sophia Lillies) hat den in sie verknallten Mike (Chosen Jacobs) im Schlepptau. Unter ihrer Führung nehmen es die sechs mit allem auf, was ihnen Angst macht. Mit der Dunkelheit, der Möglichkeit des eigenen Scheiterns und dem unheimlichen Clown Pennywise (Bill Skarsgård), der ihnen allen schon mal erschienen ist. Dieser weiß geschminkte Albtraum ist eine Projektionsfläche des Unbewussten, das zu einer sehr realen mörderischen Bedrohung wird und Pate steht für all die Bedrohungen wie Neid, Machtspiele, Missbrauch, die Teenies auf der ganzen Welt das Leben zur Hölle machen können.

Muschietti erzählt davon in einer traumwandlerisch sicheren Balance zwischen klassischem Coming-of-Age-Drama und Horrorfilm. Er nimmt sich Zeit für seine durchweg großartig gecasteten Protagonisten, nimmt die Nöte und Sehnsüchte ihrer Rollen ernst. Gleichzeitig spielt er ein betörendes doppeltes Spiel mit den vertrauten Mitteln des Horror-Genres. Es ist Teil seiner Strategie, den Zuschauer während seiner gewohnten Genre-Konventionen einzulullen. Er suggeriert: Du weißt, worauf du dich einlässt, das hier ist ein Horrorfilm! Nur, um nach und nach diese Gewissheit wieder aufzulösen und auch dem routiniertesten Kinogänger die Frage zu stellen: Bist du dir ganz sicher, wo dein Albtraum endet und die Realität beginnt? Ist das noch ein Film oder auch ein Teil deiner Erinnerung?

Es sind solche Fragen, die „Es“ einmal mehr zum Thema einer ganzen Generation machen.

„Es“ USA 2017, 135 Minuten, ab 16 Jahren, Regie: Andrés Muschietti, Darsteller: Jaeden Lieberher, Bill Skarsgård, Sophia Lillis, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa, Savoy (OF) UCI Mundsburg/Othmarschen Park/Wandsbek