London.

„Ich habe den Geruch immer noch in der Nase.“ Alex Werner schüttelt sich. Der Chefkurator des Museum of London hatte die Stelle im Londoner Eastend besucht, wo ein Monster im Untergrund lauert: mehr als 130 Tonnen schwer – das entspricht zehn Doppeldeckerbussen. Länger als zwei Fußballfelder und einen Gestank ausströmend, den Werner als „grauenvoll, ziemlich beißend, was man von einer Kloake erwartet“, bezeichnet. Der riesige Klumpen ist ein Fettberg, der bisher größte, mit dem sich das zuständige Wasserversorgungsunternehmen Thames Water abmühen muss. Alex Werner würde gern ein Stück des Fettbergs erwerben und ausstellen, weil er „illustriert, wie wir heute in einer modernen Stadt unser Leben leben“.

Es ist tatsächlich ein Auswuchs moderner Zeiten, ein Problem, das die Briten der Viktorianischen Ära noch nicht kannten, als sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das System der Londoner Abwasserkanäle bauten. Ein Fettberg entsteht, wenn Öl und Kochfett in die Kanalisation gelangen und sich dort mit Windeln, Feuchttüchern, Tampons, Kondomen und anderen Ingredienzien zu einer Masse ballen. „Das Fett verhärtet“, erklärt Alex Saunders von Thames Water, „und es mischt sich mit diesen Hygieneartikeln, um eine sehr harte, fast betonähnliche Verstopfung zu bilden, die uns wirklich große Probleme macht, den Durchfluss in unseren Abwasserkanälen aufrechtzuerhalten.“ Rund eine Million Pfund pro Monat kostet es Thames Water, die Fettklumpen aus den Kanälen zu schaffen.

Müll im Abwasser auch in Deutschland ein Problem

Auf einer Routine-Inspektion hatte man kürzlich diesen weltgrößten Fettberg entdeckt, der jetzt droht, die Keller des Stadtteils Whitechapel zu fluten. Ein Team von acht Arbeitern macht sich mit Hochdruckwasserstrahlern daran, den Fettberg, der sich über eine 250 Meter lange Strecke durch ein mannshohes Abwasserrohr ausdehnt, in kleinere Klumpen aufzubrechen und nach draußen zu schaffen. Bisher hat man sozusagen nur die Spitze des Fettbergs abgetragen, rund drei Wochen soll die Aktion dauern. Hoffentlich kommt es demnächst zu keinen schweren Regenfällen, denn dann stünde das halbe Eastend unter Wasser.

Dabei, ärgert sich Saunders, ist das Problem vermeidbar, denn es bräuchte nur ein wenig Disziplin seitens der Londoner. Öle, Fette und Schmieren dürfen einfach nicht ins Abwasser, Punktum. Stattdessen sollte man Bratfett und Salatöl im Abfall entsorgen. Auch in Deutschland setzen steigende Müllmengen den Abwassersystemen zu. „Feuchttücher, Wattestäbchen und Hygieneartikel gehören nicht in die Toilette“, teilte der Verband kommunaler Unternehmen in Berlin mit. Solche Dimensionen wie bei dem Fettberg in London kenne man allerdings bei uns nicht.

So völlig unnütz ist ein Fettberg allerdings nicht. Thames Water recycelt die Ekelmasse. Dabei verwandelt das Unternehmen zwischen 24 und 40 Prozent in Biodiesel, der eine bessere CO2-Bilanz hat als etwa Biodiesel aus Palmöl. Das größte britische Busunternehmen, Stagecoach, mischt diesen Treibstoff mittlerweile 85 Prozent seiner Flotte bei. Bisher fahren schon rund 6000 bis 7000 Lkw und Busse im Königreich mit einer Mischung aus Bio- und herkömmlichem Diesel, was immerhin rund 120.000 Tonnen an CO2 im Jahr einspart.

Für Alex Werner stellt sich ein ganz anderes Problem. Wie kann man ein Stück des Fettbergs ausstellen, ohne die Besucher durch den bestialischen Gestank zu vertreiben? „Wir müssen eine Art Flüssigkeit finden“, meint Werner, „die ihn für eine lange Zeit konserviert. Da haben wir noch eine Recherche vor uns.“