Ungleichgewicht bei der Ärzteversorgung im Kreis Segeberg. Demografischer Wandel verschärft das Problem

Mit 174 Haus- und 166 Fachärzten sowie 54 Psychotherapeuten sind die Einwohner des Kreises Segeberg statistisch gesehen sogar überversorgt. Auf etwa 1540 Menschen gibt es hier einen Hausarzt. Das ist besser als die Vorgabe der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Krankenkassen, die für 1671 Menschen einen Facharzt für Allgemeinmedizin fordern.

Doch die kreisweit gute medizinische Versorgung droht sich schon bald vor allem in den ländlichen Regionen zu verschlechtern. Mit 49 Hausärzten ist die Stadt Norderstedt gut bedient. Aber mehr als die Hälfte der Allgemeinärzte (95) praktizieren in Norderstedt, Henstedt-Ulzburg, Kaltenkirchen und Bad Bramstedt. Im Osten des Kreises Segeberg wird die medizinische Versorgung zunehmend dünner.

Verschärft wird das Problem durch den demografischen Wandel. 38 Prozent der niedergelassenen Hausärzte sind bereits älter als 60 Jahre. Das ist mehr als im Landesdurchschnitt, der bei 34 Prozent von 1940 Allgemeinmedizinern liegt. In Wahlstedt sind sogar drei der sechs dort tätigen Hausärzte älter als 64 Jahre alt und werden bald in den Ruhestand gehen. Falls für sie keine Nachfolger gefunden werden, müssten sich 3500 Patienten einen neuen Arzt suchen.

In Norderstedt klagt Dr. Peter-Christian Schümann, der seit 30 Jahren in Glashütte praktiziert und etwa 600 Patienten im Vierteljahr versorgt, eher über die Konkurrenzsituation. „Sechs Arztpraxen sind hier in unmittelbarer Nähe“, sagt Schümann, der aber auch schon 67 Jahre alt ist. „Ich fühle mich gesund und fit. Warum soll ich da nicht weiterarbeiten?“, fragt der Mediziner. Doch in fünf bis acht Jahren werde er sich wohl auch zur Ruhe setzen.

Die Kassenärztliche Vereinigung versucht, mit einer Dreifachstrategie dem bevorstehenden Ärztemangel auf dem Land entgegenzuwirken. So sollen sich mehrere Ärzte an einem gut erreichbaren Ort zusammenschließen, um eine Art ambulantes Versorgungszentrum zu bilden. Zudem könnte speziell ausgebildetes Fachpersonal Routine-Aufgaben von den Ärzten übernehmen. 160 dieser Praxisassistenten gebe es bereits im Land. Und auch die telemedizinische Betreuung der Ärzte werde in Zukunft zunehmen. Doch dieser Einsatz habe seine Grenzen, warnt Schümann. „Bei der heutigen Computertechnik ist vieles vorstellbar und machbar.“ Doch wenn ein Patient über akute Bauchschmerzen klage, müsse er von einem Arzt persönlich untersucht werden, so der Hausarzt. „Das geht nicht übers Fernsehen oder Telefon. Da muss ich den Patienten ansehen, anhören und auch anfassen, um eine akute Blinddarmentzündung auszuschließen. An der kann man auch heute noch sterben.“

Allenfalls für Bagatellfälle wie Schnupfen oder kleinere Wehwehchen könnte die Telemedizin die Ärzte entlasten. Auch die KV weiß, dass „diese Maßnahmen allein nicht ausreichen“, sagt Vorstandsvorsitzende Monika Schliffke. „Wo Schulen und Polizeistationen geschlossen und Busfahrpläne ausgedünnt werden, wird es auch für Ärzte nicht attraktiver.“ Die KV müsse gemeinsam mit den betroffenen Kommunen aktiv gegensteuern, fordert Schümann, beispielsweise, indem sie junge Ärzte mit guter Bezahlung, günstigen Krediten oder billigem Wohnraum in ihre Region locken. In Sachsen zeigten sich bereits erste Erfolge dieser Strategie. Es gebe jedoch weitere Gründe, die für den drohenden Ärztemangel im ländlichen Raum verantwortlich seien, sagt Delf Kröger, KV-Sprecher aus Bad Segeberg. „Die junge Generation scheut das Risiko, sich selbstständig zu machen, Personalverantwortung zu tragen, Kredite aufzunehmen.“

Darum müsste sich auch die Struktur des medizinischen Angebots verändern und an die heutigen Bedürfnisse angepasst werden. Den niedergelassenen Ärzten sollten mehr Teilzeitmöglichkeiten und Teamarbeit angeboten werden können. So ist heute bereits jeder sechste Hausarzt im Kreis Segeberg angestellt. Fast 60 Prozent von ihnen arbeiten in Teilzeit.