Mexiko-Stadt.

Maria Castro putzt sich daheim in Mexico City gerade die Zähne, als plötzlich die Deckenlampe im Badezimmer zu wackeln beginnt. Die 45-Jährige Juwelierin weiß sofort, was zu tun ist, denn es ist nicht ihr erstes Beben in Mexiko-Stadt. Maria Castro spült sich den Mund aus und rennt noch im Schlafanzug auf die Straße. Dort stehen schon die Nachbarn und betrachten bangend die wankenden Stromleitungen und Straßenlaternen.

„Das Beben war stärker und länger als jemals zuvor“, sagt Castro. Drei lange Minuten schüttelte sich die Erde in Mexiko-Stadt und vor allem dem Süden des Landes um kurz vor Mitternacht. Die Experten geben die Stärke des Bebens im Pazifik vor dem Bundesstaat Chiapas mit 8,2 auf der Richterskala an. So heftig hat die Erde in Mexiko noch nie gewackelt. Nicht einmal 1985, als große Teile von der Hauptstadt zusammenfielen und zehntausend Menschen starben. Damals lag das Epizentrum aber nahe der Millionenstadt und nicht wie jetzt rund 1000 Kilometer entfernt.

Nach vorläufigen Angaben starben dennoch mindestens 58 Menschen, 200 wurden verletzt. Alleine im Bundesstaat Oaxaca waren 45 Opfer zu beklagen, wie Gouverneur Alejandro Murat bestätigte. Am schlimmsten wurde die Stadt Juchitán getroffen, wo mindestens 17 Menschen starben. Dort stürzte auch ein Teil des Rathauses ein. Einheiten der Streitkräfte wurden zur Hilfe in die Katastrophenregion geschickt. Die übrigen Opfer gab es in Tabasco und Chiapas. In Tabasco kamen zwei Kinder ums Leben – eines wurde von einer einstürzenden Wand erschlagen. Ein Säugling, der an ein Beatmungsgerät angeschlossen war, starb durch einen von dem Beben ausgelösten Stromausfall. Die Behörden rechneten damit, dass die Zahl der Opfer noch steigen würde. Auch in Guatemala starb ein Mensch.

Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto sagte, die Erdstöße seien die stärksten seit Beginn der Aufzeichnungen 1932 in der Region gemessenen. Rund 50 der 120 Millionen Menschen hätten die schweren Erschütterungen gespürt, ergänzte Peña Nieto. Rund 1,5 Millionen Menschen waren ohne Strom. In der Hauptstadt Mexico City blieben die Schäden übersichtlich. An vielen Häusern bröckelte der Putz ab, Balkone erlitten Risse. Manche Stadtteile versanken für mehrere Stunden in Dunkelheit.

Wesentlich härter wurden die Bundesstaaten im Süden Mexikos wie Chiapas und vor allem Oaxaca getroffen. In Oaxaca-Stadt stürzte ein Hotel komplett zusammen. „Es war der pure Horror, das Schlimmste, was wir hier in Chiapas jemals erlebt haben“, sagte Lizbeth Coello aus Tuxtla Gutiérrez, der Hauptstadt des Bundesstaats Chiapas. „Die Menschen haben Panik und wollen nicht nach Hause zurück.“

Laut Seismologischem Institut gab es mindestens 190 Nachbeben. Das stärkste wurde mit 6,1 angegeben. Immer wieder schlug im Laufe der Nacht und des Freitagmorgens in vielen Städten des Landes der Bebenalarm an. In Mexiko-Stadt, Oaxaca und Chiapas fiel am Freitag der Unterricht in allen Schulen aus, um die Gebäude auf mögliche Schäden durch das Beben zu überprüfen.

Erdstöße noch Tausende Kilometer entfernt spürbar

Mexiko wird immer wieder von Erdbeben erschüttert. Diese Beben setzen Energie frei, die über Jahrzehnte durch die Bewegung der tektonischen Platten aufgebaut wurde, so Professor Marco Bohnhoff vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam. Er weist darauf hin, dass in 10.000 Kilometer Entfernung noch Erschütterungen gemessen werden konnten.

An der Pazifikküste wurde die Tsunami-Warnung am späten Freitagnachmittag wieder aufgehoben. Laut dem zuständigen Tsunami-Warnzentrum löste das Beben kleinere Tsunamiwellen von bis zu 70 Zentimeter Höhe aus.

Maria Castro in Mexiko-Stadt hatte in dieser Nacht kein Auge mehr zugetan. „Ich kann mich noch an 1985 erinnern, die Panik kommt sofort wieder hoch“, erzählt sie am nächsten Morgen.