Männer in den besten Jahren werden wunderlich. Sie angeln oder reden nur noch über Rotwein, tauchen in ­historische Welten ab oder im Hobbykeller. Und alle meinen, die Welt retten zu müssen.

Womit wir bei Norbert Lammert (69) und Alexander Gauland (76) wären. Beide finden sich klasse, reden viel, wären gern mehr geworden. Und zwischen beiden verläuft jene feine Linie namens Anstand, dem der brillante Axel Hacke ein Buch gewidmet hat.

Lammert, der scheidende Bundestagspräsident, war bisweilen eine Nervensäge. Aber er hatte einen Kompass. Er verteidigte das Parlament als Herzkammer der Demokratie gegen eine zuweilen übergriffige Regierung. Er hat sich mit Kanzlerin und Präsident angelegt, Medien kritisiert und Extremisten aller Farben. Mag sein, dass seine Querköpfigkeit ihn am Ende das Amt des Bundespräsidenten gekostet hat. Aber: Lammert ist ein guter Onkel der Demokratie.

Alexander Gauland ist auch ein eigener Kopf; er verehrt den vordemokratischen Staatsphilosophen Edmund Burke. Der Brite lehnte die Aufklärung ab, mochte die Herrschaft des Volks nicht ertragen, sondern schwor auf eine vermeintlich geistig-moralische Elite. Gauland distanziert sich von Ex­tremisten nicht, er nutzt die vielmehr, um an der Demokratie zu zündeln.

Lammert und Gauland – der eine kämpft für ein besseres Morgen, das vielleicht mal kommt, der andere romantisiert ein Gestern, das es nie gab. Der eine geht freiwillig aus der Politik, der andere klammert. Der Unabhängige und das ewige Opfer, Angst und Hoffnung.

„Dem deutschen Volke“, steht am Reichstag. Ihm hat Lammert bis zuletzt gedient, als er vorschlug, dass nicht der Älteste, sondern der Dienstälteste die konstituierende Sitzung des 19. Bundestags spätestens am 24. Oktober eröffnet. Lammert hat sich ein letztes Mal als souveräner Verteidiger des Parlaments erwiesen, als Boateng des Bundestags. Neben wem wollen wir lieber wohnen?