Othmarschen. Gerhard Simmon forscht seit Jahren an neuer Methode, um Giftpflanze den Garaus zu machen

Gerhard Simmon mag es wild – zumindest in seinem Garten. Der Unternehmer im Ruhestand hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein kleines Paradies geschaffen. Auf seinem Othmarschener Grundstück nahe den S-Bahngleisen gedeihen zahlreiche Wildblumen. Königskerzen aller Art recken sich in die Höhe. Blühende Disteln locken die Insekten, während die Stockrosen Besucher verzaubern und die Moschus-Malven betörend duften. Der 92-Jährige steckt viel Arbeit in seinen Naturgarten. Von morgens bis abends ist er am Werk. „Wenn mich einer sucht, ich bin im Garten“, steht passenderweise auf einem Schild, das er bei Bedarf an der Haustür anbringen kann.

„In der Familie sind alle etwas verrückt“, sagt Simmon. Eine seiner Töchter studierte Biologie und lebt heute auf einem Resthof bei Schleswig zusammen mit Nandus, Eseln, Pferden, Lamas, Katzen, Hunden und Geflügel. Die Leidenschaft zur Natur – das steckt in den Genen, vermutet Simmon. Schon seine Großeltern lebten vom Gemüseanbau. Die Natur fasziniert den ehemaligen Immobilienmakler. Er tüftelt gern, freut sich darüber, wenn es ihm gelingt, dass Pflanzen sich in seinem Garten wohlfühlen und vermehren. Nur bei einer Pflanze hat Simmon ein anderes Ziel: Er will sie vernichten.

Es geht um die Heracleum mantegazzianum, auch Herkulesstaude oder Riesen-Bärenklau genannt. Die Pflanze, die bis zu vier Meter hoch werden kann, sondert Substanzen ab. In Verbindung mit Tageslicht können sie bei Menschen schmerzhafte Quaddeln und Blasen verursachen. Diese wirken wie Verbrennungen und heilen nur schwer ab. Das Problem ist, dass sich die Giftpflanze zunehmend verbreitet. Denn eine ausgewachsene Pflanze kann laut Landwirtschaftskammer zwischen 10.000 bis 50.000 Samen bilden, die bei optimalen Bedingungen bis zu zehn Jahre keimfähig bleiben. Gleichzeitig ist die Eindämmung aufwendig und die Bekämpfung teuer.

Der Hamburger Gerhard Simmon experimentiert mit leidenschaftlicher Gartenlust seit Jahren mit der Giftpflanze. Und Simmon ist sich sicher, eine Methode gefunden zu haben, dem Riesen-Bärenklau schnell und kostengünstig den Garaus zu machen. Er entfernt nur die Dolde mit den weiblichen Blüten in der Mitte – und zwar kurz bevor die Pflanze die Samen abwirft. Daraufhin stirbt die Pflanze innerhalb einer Woche komplett ab und kommt nicht mehr wieder.

„Ich habe einfach menschlich gedacht“, sagt Simmon, der einst dem Hamburger Maklerverband sowie dem Bürgerverein Flottbek-Othmarschen vorstand. „Menschen geht es doch auch so: Wenn sie glauben, dass sie ihre Pflicht erfüllt haben, sterben sie.“ Die Pflicht des Bärenklaus sei die Fortpflanzung. Durch das Abschneiden der Dolde gaukelt Simmon der Pflanze vor, die Samen abgeworfen, sprich für Nachwuchs gesorgt zu haben.

Mit seiner Erkenntnis wandte er sich an den Botanischen Garten der Universität Hamburg. Seit drei Jahren dokumentiert Heike Wiese Simmons Gartenexperiment. „Uns war diese Methode vorher nicht bekannt“, berichtet die Diplom-Biologin und Gärtnerin. Simmons Leistung sei es, dass er die Pflanze genau studierte und erkannt habe, dass es männliche und weibliche Blütenstände gibt. Schneide man die weibliche Dolde zum richtigen Zeitpunkt ab, sterbe die Pflanze. „Das wussten wir so nicht“, sagt Wiese. Allerdings verweist sie darauf, dass es eines wissenschaftlichen Nachweises bedarf. Sprich: Es müsste eine Studie mit deutlich mehr Pflanzen gemacht werden, um auszuschließen, dass es sich nicht um Zufall handelt. „Wir können solch eine Studie aber nicht leisten“, erklärt Wiese.

Auch der Hamburger Umweltbehörde ist die Methode unbekannt. Die Stadt verweist beim Thema Riesen-Bärenklau auf die Internetseite der Landwirtschaftskammer. Die wiederum benennt fünf Möglichkeiten gegen die Herkulesstaude: Abstechen der Wurzeln, alle Blüten- und Samenstände entfernen und verbrennen, Fräsen und Pflügen, Verbrühen durch heißes Wasser und Einsatz von Herbiziden. Laut Behördensprecher Jan Dube ist die Ausbreitung in Hamburg ein Problem. „Der Riesenbärenklau kommt in allen Hamburger Bezirken vor“, so Dube. Wie hoch die Kosten zur Bekämpfung genau sind, kann er nicht beziffern. Aber sie sind so hoch, dass er verspricht: „Inwiefern die beschriebene Methode tatsächlich wirkt und angewendet werden kann, prüfen wir.“

Gerhard Simmon ist bereit, sein Wissen zu teilen, es anderen zu zeigen. Erreichbar ist er unter 040/82 43 91.

Der Begriff Neophyten bezeichnet Pflanzenarten, die in Deutschland so nicht heimisch sind. Sie wurden entweder beabsichtig angesiedelt oder unbewusst durch den Menschen eingeschleppt. Dazu zählen beispielsweise Drüsiges Springkraut oder der Riesen-Bärenklau.

Das Problem ist, dass sich die Pflanzen teilweise massiv ausbreiten. Dadurch stellen sie auch eine Gefahr für die heimische Artenvielfalt dar. Laut dem Bundesamt für Naturschutz gibt es etwa 1600 gebietsfremde Pflanzen- und 450 gebietsfremde Tierarten (Neozoen) in Deutschland.