Zuhören, wie zwei Schwarze Löcher verschmelzen: Karsten Danzmanns Experiment bestätigt Einsteins Theorie

25 Jahre hat er diesen Tag erwartet,
25 Jahre hat der Physiker unbeirrt diese epochale Entdeckung angesteuert – und war dann doch überrascht, als sie am
14. September 2015 um 11.50 Uhr eintrat. 0,2 Sekunden lang registrierten Gravitationswellen-Detektoren in den USA das kosmische Signal, das ein Meilenstein in der Geschichte der Astronomie ist.

„Dass wir zu dem Zeitpunkt Gravitationswellen messen und damit Einsteins Voraussage von 1916 bestätigen konnten, war ein reiner Glücksfall. Denn die Geräte waren gerade erst wieder in Betrieb gegangen“, sagt Professor Karsten Danzmann. Weil er die Technologien entwickelte, die entscheidend zu dieser Entdeckung beitrugen, wird er mit dem Körber-Preis 2017 ausgezeichnet.

Zufällig ist Karsten Danzmann zur Forschung über Gravitationswellen gekommen. Nach einem Vortrag über Laserspektroskopie, den der Physiker 1989 auf der weltweit wichtigsten Fachtagung in Bretton Woods (USA) hielt, überzeugte ihn die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die renommierte Stanford University zu verlassen und für die Gravitationsforschung nach Deutschland zu wechseln. Die Jagd nach den unsichtbaren Boten aus den verborgenen, dunkelsten und am weitesten entfernten Bereichen des Universums reizte ihn sofort. „Verbinden sich in diesem Forschungsgebiet doch Laserphysik, Quantenoptik, Astronomie, Astrophysik, Datenverarbeitung und Weltraumforschung“, sagt der Wissenschaftler, der schon immer an den Grenzen des Wissens experimentiert, „wo es für manche Menschen schon obskur wird“.

Seine Forschung zu Gravitationswellen begann er in Garching bei München. Dort betrieben die Wissenschaftler bereits einen kleinen Prototypen eines Detektors, der diese kosmischen Boten aufspüren sollte. In Niedersachsen wollten die Forscher ab 1990 einen großen Gravitationswellen-Detektor bauen. GEO, so der Name, sollte so leistungsfähig wie LIGO (Laser Interferometer Gravitationswellen-Observatorium) sein, das jetzt die wissenschaftliche Sensation lieferte. Doch es kam anders. Das Bundesforschungsministerium unter Heinz Riesenhuber (CSU) strich 1992 die Zuschüsse – nur das Land Niedersachsen und die Universität Hannover hielten an dem Projekt fest. Und die Wissenschaftler.

Mit ihren eigenen Händen errichteten sie auf einem Acker in der Nähe von Hannover GEO600, eine kleinere Schwester von GEO. Sie wurde, obwohl sie nur ein Hundertstel des Budgets von LIGO hat, die weltweit führende Technologieschmiede. Gemeinsam mit den Kollegen am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover und der Leibniz Universität Hannover entwickelte und erprobte Danzmann viele der Technologien, die nun in den Messapparaturen der LIGO-Detektoren in den USA stecken. Sie registrierten das kosmische Signal. Es sind die letzten 0,2 Sekunden im Leben zweier Schwarzer Löcher, die danach zu einem verschmolzen und dabei derart starke Gravitationswellen abstrahlten, dass LIGO sie bemerken konnte. Diese Verschmelzung vollzog sich so weit entfernt von der Erde, dass wir erst 1,3 Milliarden Jahre später von diesem kosmischen Großereignis erfuhren.

Zugleich fegte diese epochale Entdeckung bisherige Theorien über Schwarze Löcher, die sich aus einst massereichen Sternen entwickeln, hinweg. Bisher hatte niemand angenommen, dass es im Universum derartige Riesen überhaupt gibt. Jedes der beiden Schwarzen Löcher war mehr als 25-mal so schwer wie unsere Sonne. Das wirft neue Fragen über unser Universum auf – und lädt zu interessanten Spekula­tionen ein. Doch daran beteiligt sich Kars­ten Danzmann nicht. Er ist, wie er sagt, „Experimentalist“. Er will mit dem Messen von Gravitationswellen dem Universum seine Geheimnisse entlocken. „Da 99,6 Prozent des Universums dunkel sind, helfen uns immer bessere Teleskope, also Augen, nicht weiter. Wir brauchen bessere Ohren, um die Gravitationswellen zu hören.“ Nur sie geben uns neue Einblicke in die dunklen Tiefen des Alls.

Sein Preisgeld von 750.000 Euro wird der Körber-Preisträger dazu nutzen, um in den kommenden drei Jahren ein noch leistungsstärkeres Instrument vorzubereiten, das 2030 in Betrieb gehen soll. Sein Name: Einstein-Teleskop. Der 62-Jährige ist sich sicher, dass er den „Nachhall der Geburt unseres Universums“ hören wird. Die Gravitationswellen des Urknalls durchqueren immer noch Raum und Zeit, man müsse sie nur aufspüren. Dafür wird der vielseitige Physiker weiterhin Hochtechnologie ersinnen, entwickeln und erproben – auch mit Forschung im Weltall.

Weitere Informationen zur Entdeckung als Video: www.youtube.com/watch?v=vRXUpN7a-lU