Liverpool/Berlin.

Einer der größten Fans von Elsa, der Eiskönigin aus dem Hause Disney, heißt Noah. Der dreijährige Blondschopf lebt mit seinen zwei Brüdern und seinen Eltern im nordenglischen Liverpool und zieht sein hellblaues Elsa-Kleid nur im Notfall aus. Schlafengehen fällt für Noah übrigens nicht unter diese Kategorie. So kam seine Mutter, Hayley McLean-Glass, auf die Idee, für Noah zu einem geplanten Familientrip nach Disneyland Paris ein Prinzessinenstyling als Überraschung zu buchen. Doch kurz nach ihrer Anfrage bekam die Bloggerin eine E-Mail des Freizeitparks. Darin stand, dass besagtes Prinzessinnenstyling für Jungs nicht angeboten werde. Die Mutter war entsetzt – und schrieb einen offenen Brief auf ihrem Blog, der sich rasch über das Internet verbreitete. Daraufhin entschuldigten sich Verantwortliche von Disney. Die Aufregung vieler Eltern über zu frühe Geschlechterprägung von Kindern bleibt jedoch. Forscher sprechen sogar von neuen Extremen.

Für ihre Aufregung nach der Absage von Disney fand Hayley McLean-Glass jedenfalls klare Worte. „Hier geht es nicht einmal um eine Debatte um homo- oder heterosexuelle Geschlechterrollen. Das hier ist ein Kind, das nur wie seine Lieblingsspielfigur sein will.“

Die Verantwortlichen des Themenparks in Paris erkannten erst nach einer Weile, in welches Fettnäpfchen sie getreten waren. Ihre Entschuldigung bei Noah und seiner Mutter erfolgte dann zu spät für eine frühe Schadensbegrenzung – über 1000 wütende Kommentare standen bereits im Netz. „Wir nehmen diesen Vorfall sehr ernst und entschuldigen uns bei Hayley und Noah für den Stress, den wir verursacht haben“, sagte ein Sprecher des Themenparks nach dem Eklat. Das Erlebnispaket „Princess for a Day“ (dt.: „Prinzessin für einen Tag“) stehe selbstverständlich allen Kindern von drei bis 12 Jahren offen.

Stevie Schmiedel, promovierte Geschlechterforscherin aus Hamburg, kennt diese Vorfälle auch in Deutschland durch ihre Projekte zur Genüge. Gerade bietet sie an Grundschulen den Theaterworkshop „David und das rosa Pony“ zum Thema an.

Expertin rät, Kindern die Werbeindustrie zu erklären

„Noch nie gab es so viel gegendertes Spielzeug wie heute. Ein Beispiel: Prinzessin Lilifee füttert ihre Tierchen und isst dabei selbst nicht viel, während Käpt’n Sharky seinen Tieren Befehle erteilt und auf starken Mann macht“, sagt die Expertin dieser Redaktion. Das seien Spielewelten, die klar in klassische Mädchen-Jungen-Rollen unterteilt sind. Während Lego für Jungs Sternenkriege und Ninjakämpfer bereithalte, dürften Mädchen bei Lego Friends frisieren, shoppen gehen und vielleicht auch mal etwas bauen, aber bitte mit dünner Taille und hohen Schuhen. Die Mutter zweier Töchter gründete vor fünf Jahren in Hamburg die Initiative „Pinkstinks“, die sich mittlerweile im Auftrag des Bundesfamilienministeriums gegen Sexismus in der Werbung einsetzt.

Zum Fall von Noah sagt Schmiedel: „Es ist aber sehr wichtig für Jungs, auch ihre weiche Seite ausleben zu dürfen. Wenn ein Junge ständig hört, gewisse Spielzeuge seien nur für Mädchen, wird er nicht lernen, seine Gefühle zu zeigen – und es später vielleicht auch nicht können.“ Dann seien Komplexe und Scham über Emotionen bis hin zu Depressionen programmiert. Eltern können laut Schmiedel schon mit Vierjährigen Spielzeugkataloge durchgehen und ihnen kindergerecht erklären, wie die Werbeindustrie arbeitet. Solange, bis vielleicht einzelne Marken und Konzerne dem Druck der Eltern nach und nach stattgeben. Zu ihrem „Disneyland-Drama“ schrieb Noahs Mutter jedenfalls freudig: „Schlagt ein, alle diejenigen, die meinen Protest unterstützt haben. Wir haben es geschafft, dass hoffentlich kein kleiner Junge mehr in Zukunft eine Absage bekommt.“