Dreieinhalb Jahre Lehre und ein Jahr Meisterausbildung: Zahntechniker benötigen Fingerspitzengefühl

Konzentriert schaut sie auf ihren Monitor, der ein dreidimensionales Modell eines Unterkiefers zeigt. Die jüngste Zahntechnikermeisterin Hamburgs, Judith Schriefer, konstruiert am Computer Implantataufbauten, auf denen anschließend eine herausnehmbare Brücke gefertigt werden soll. „Die Daten schicke ich dann an unser Fräszentrum, das an den Landungsbrücken liegt“, erzählt die 23-Jährige, die seit ihrem 21. Lebensjahr Meisterin ist. Die übermittelten Daten werden von CNC-Fräsmaschine verarbeitet, das fertige Produkt kommt per Bote an den Arbeitsplatz der Meisterin zurück.

„In diesem Falle werden künstliche Zahnstümpfe aus Metall-Rohlingen gefräst. Diese können jedoch, je nach Auftrag und Notwendigkeit, auch aus Titan, Zirkonoxyd oder aus einem anderen Nichtedelmetall, das für medizinische Anwendungen zugelassen ist, bestehen“, erläutert Rolf Schulz. Der stellvertretende Obermeister der Zahn­techniker-Innung Hamburg-Schleswig Holstein ist Inhaber dieses zahn­technischen Betriebes in Hamburg-Rotherbaum. Wie für alle anderen gewerblichen Dentallabore, von denen es in Hamburg etwa 180 gibt, besteht hier die Meisterpflicht. Das unterscheidet die gewerblichen zahntechnischen Betriebe von den Praxislaboren der Zahnärzte. Während die Zahntechnikermeister dreieinhalb Jahre Lehre und ein Jahr Meisterausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, benötigen die Zahnärzte keinen Meister, um ihr Labor zu betreiben. Ihr meist fünfjähriges Zahnmedizinstudium reicht.

Für die Herstellung jeder Brücke, Prothese und bei der Implantatversorgung arbeiten Zahnarzt und Zahntechniker Hand in Hand. „Besondere Anforderungen und Erfahrung sind an Zahnarzt und Zahntechniker zu stellen, wenn zahnlose Patienten versorgt werden“, betont Rolf Schulz. Meist senden die Zahnärzte die notwendigen Unterlagen in Form eines Abdruckes an das Dentallabor. Dort wird dieser, der ja eine Negativform des Kiefers ist, mit einem speziellen Gips aufgefüllt. So erhalten die Zahntechniker die tatsächliche Form von Ober- oder Unterkiefer. Werden die Kronen oder Brücken konventionell hergestellt, werden diese zunächst in Wachs modelliert. Anschließend erstellen die Zahntechniker eine Gussform, die mit Metall oder keramischen Massen in speziellen Guss- oder Pressgeräten umgesetzt werden.

Handwerkliches Geschick ist trotz Automatisierung gefragt

Doch fast in jedem zahntechnischen Betrieb sind Automatisierung und Digitalisierung fester Bestandteil der Fertigungsmethoden. Neben den Fräsmaschinen, die die Implantaufbauten automatisch liefern, kommen heute auch 3-D-Drucker zum Einsatz. Bestimmte Materialien, wie beispielsweise Zirkonoxyd, das zur Herstellung von Kronen und Brücken verwendet wird, können auch nur so verarbeitet werden.

Trotz aller modernen Fertigungsmethoden sind aber Fingerspitzengefühl sowie ein gutes Form- und Farbgefühl unerlässlich. Schließlich sind die digital produzierten Rohgerüste noch lange kein fertiger Zahnersatz. Es folgen noch viele Arbeitsschritte, bevor der Zahnersatz dem Patienten übergeben werden kann.

Zu diesen gehört das Verblenden mit keramischen Massen, wie das in der Fachsprache genannt wird. Dazu tragen die Zahntechniker mit feinsten Pinseln Pulver und Flüssigkeiten in den unterschiedlichsten Farben Schicht für Schicht auf die Rohgerüste auf. Immer wieder müssen sie die Zwischenprodukte in speziellen Öfen brennen, damit die Keramik hart wird. Das braucht auch Geduld.

Hin und wieder besuchen sogar Patienten die Zahntechniker. „Bei Frontzahnerneuerungen mit Kronenbrücken oder Verblendschalen (Veneers) kommen die Patienten in unseren Betrieb“, sagt Rolf Schulz. Dann passen die Spezialisten diese direkt vor Ort so an, dass sie in Form und Farbe den vorhandenen Zähnen entsprechen.

Manchmal müssen die Zahntechniker auch ihr ganzes handwerkliches Geschick aufbringen, um gebrochene Prothesen zu reparieren und dem Träger so den Kauf einer neuen zu ersparen. Trotz Digitalisierung und Automatisierung ist die Zahntechnik noch viel Handwerk.